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Keßler betrachtete einen Augenblick sein Konterfei.
„Hat man es dir denn nicht zugeschickt?“ fragte
der Staatsanwalt.
„Kann sein. Jedenfalls habe ich es noch nicht
desehen! ... Ich komme vor lauter Geschäften nicht
einmal dazu, die Zeitungen zu lesen. Außerdem bin
ich nicht eitel; ich lege auf derartige Scherze keinen
Wert. Man teilt diese Ehre mit zu vielen Leuten.“
„Stimmt — — auch Verbrecher kommen ins
Blatt!“
„Weißt du, Drenkwitz, daß es in der Tat sehr
schwer ist, die Grenze zwischen einem genialen Men—
schen und einem Verbrecher zu ziehen? ...“
„Meinst du ?“
„Allerdings!“
„Der richterliche Standpunkt ist ein etwas an—
erer.“
„Lieber Junge, darauf kommt es nicht so viel an.“
„Das sind olle Kamellen — — abgedroschene
Phrasen — komm' mir nicht damit.“
„Sage mal, Drenkwitz, glaubst du, daß jeder
Mensch sich keunt ?
„Jeder muß sich so weit kennen,“ antwortete der
Staatsanwalt langsam, „um immer das Verantwort⸗
lichkeitsgefühl für seine Handlungen zu haben.“
„Von ‚müssen‘ kann doch gar keine Rede sein
— das ist meiner Ansicht nach ein völlig anti—
quierter Standpunkt.“
„Die moralistischen Standpunkte sind nicht so
antiquiert, wie du anzunehmen scheinst.“
„Ich bitte dich, Drenkwitz, laß einmal den Staats—
Lollaender, Der Boumeister.