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eintreten ließ.
Nach einigen nebensächlichen Fragen über die Ar—
beit, die so dringlich war, sagte Orthmann sen. zu Louis:
„Setze dich!“
„Ich habe wenig Zeit!“
„Jetzt wirst du sitzen und mir fünf Minuten wid—
men! Da schlag' Gott den Teufel tot!“
Wenn Orthmann sen. diesen Fluch hinter seine Rede
setzte, das wußte Klein, dann war er sehr erregt. Klein
überlegte, ob sein Adlatus die Sache werde „fingern“
können, aber er blieb erschreckt sitzen.
Orthmann sen. ging auf und ab. Dann fragte er:
„Sag' einmal — Gott, es ist lange her, und man ist
wie ein Ackerpferd, daß man an nichts denken kann, was
nicht nahe liegt — mir ist's doch, als hattest du eine
Schwester.“
„Wissen Sie etwas von ihr?“ fuhr's Louis heraus,
indem er vom Stuhl aufsprang.
„Ich? Wie soll ich dazu kommen? Wenn ich nicht
irre, kam sie vor zehn Jahren und darüber zu einer Putz—
macherin, wo sie gut aufgehoben war. Du sprachst nie
von ihr. Man denkt auch nicht an alles. Aber jetzt habe
ich Anlaß, dich zu fragen, wie sie sich entwickelt hat und
was aus ihr geworden ist.“
Louis begann zu weinen.
„Na nu,“ rief Orthmann sen, bestürzt, „ist sie ge—
storben ?“
Louis schüttelte verneinend den Kopf.
„Nun, was denn? Heraus damit!“
„Verschollen!“ rief Louis, stärker weinend.
„Verschollen! Schrecklich!“ rief Orthmann. Dann
fragte er: „Seit wann weißt du das?“
„Seit meiner Militärzeit.“
Bruenstein, Babel⸗-Berlin.
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