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Hilde

Full text: Babel-Berlin / Gruenstein, Josef Rudolf (Public Domain)

7 — 
„Das ist ja sehr liebenswürdig,“ rief Frau von 
Kempen, „ich hätte weiß Gott nicht gewußt, wie den 
Weg nochmal hinabfinden, um zum Abendbrot etwas 
einzukaufen.“ 
„Det jewöhnt sick! Sie kommen wohl von außer— 
halb?“ 
„Jawohl!“ 
„Was ist denn Ihr Mann?“ 
Der kordiale Ton verletzte die Majorin tief. Sie 
sagte darum kühl: „Mein Mann ist Major, aber das 
gehört doch wohl nicht zu unserer Abmachung.“ 
„Ach so!!“ rief die Frau gedehnt, „na, denn ent— 
schuldigen Sie nur, ick hätt' es ja vom Vizewirt morgen 
sowieso erfahren; denn bis der neue Portier kommt, seh' 
ick nach'n Rechten.“ 
Die Frau Majorin lenkte ein, denn der Ton der 
Frau war hart und bissig. 
„Wieviel bekommen Sie, gute Frau, für den Monat 
und wie viele Gänge machen Sie?“ 
„Wir rechnen so jewöhnlich. Det Frühstück bringt 
der Bäckerjunge, det Fleesch der Schlächter, Holz, Kohlen, 
Petroleum wird allens ins Haus jebracht. Ick komme 
also um neune und mache de Wohnung rein, dann hole 
ick det, wat Sie brauchen. Um sechse nachmittag komme 
ick wieder nachfragen, wasche det Mittaggeschirr und die 
Kaffeetassen ab und hole, wat Sie zum Abend benötigen. 
Davor kriege ick neun Mark vors Monat und Kaffee mit 
Schrippe des Vormittags.“ 
„Dankbar angenommen!“ 
„Ick Ochse,“ sagte sich die Frau beim Fortgehen, 
„ick hätte dreist eene Mark mehr sagen jekunnt.“ 
Sich einleben zu sollen in eine neue Lage, in eine 
völlig fremde Lebensführung, bildet wahrlich eine An—
	        
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