Kappmann war fest davon uͤberzeugt, daß nur
Wilhelmine an seiner kuͤnstlerischen Sterilitaͤt schuld
war — wie konnte es auch anders sein? Darum
hatte er sich ja auch endlich von dieser Person getrennt
und in dem Gluͤck seiner neuen Freiheit nunmehr auch
den Mut gefunden, sich mit der zu vereinigen, die
ihm nicht nur Liebe sondern auch Verstaͤndnis fuͤr
seine Dichtergroͤße entgegenbrachte, mit Frau Doris
Friedlaͤnder.
Er hatte es tun muͤssen, denn das war das Ent—
setzliche, als Kappmann kaum drei Tage allein war,
da fuͤhlte er schon eine geistige Leere in sich, da war
es ihm schon, als ob ihm etwas fehlte. Er gehoͤrte
wohl zu diesen feinen Naturen, denen es ein Herzens⸗
beduͤrfnis ist, sich an ein weibliches Wesen zu ver⸗
schwenden, und manchmal kamen ihm jetzt sogar
Augenblicke, in denen er sich gradezu nach Wilhelmine
zuruͤcksehnte, die ihm doch die ganzen letzten Jahre
zur Qual gemacht hatte. Er vermißte ihren Witz,
ihre drolligen Einfaͤlle, die ihm so manches Mal bei
einem Zeitungsartikel geholfen hatten, denn wenn sie
auch eine gaͤnzlich unpoetische Natur war, so zum ge⸗
woͤhnlichen Hausgebrauch fuͤr Plaudereien und Skizzen
konnte man ihre Ideen wohl benutzen.
Aber Kappmann war ein Charakter. Er uͤber—
wand diese Sehnsucht nach ihr und kehrte nicht zuruͤck.
Ja, er schaͤmte sich seiner niederen Instinkte und sah
mit Schrecken, wie weit ihn dieses Weib schon zu sich
herabgezogen hatte. Und als er dann Frau Doris
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