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für ihn überhaupt nicht existierte. Er gehörte zu den
wenigen organisch gewachsenen Menschen, denen die
Stimmen ihres Innern das äußere Handeln vor—⸗
schreiben. Eben weil er in eminentem Sinne gesund
praktisch war, nannten ihn die, denen nur ein äußer⸗
lich praktisches Gebaren eigen war, einen Träumer.
Und es war recht gut für ihn, daß er diese seine
Überlegenheit nicht kannte. Sie hätte ihm sonst ein
seine Entwicklung hemmendes Selbstbewußtsein ver⸗
liehn und eine schädliche Verachtung aller jener Men—⸗
schen, zu denen er jetzt noch lernbegierig emporblickte.
Soviel wußte auch Rens: der rücksichtslose Athe—
ismus ist eine Zeitkrankheit und muß vorübergehen,
da er nur Negatives zu bieten vermag. Und darum
achtete er diese Frau, die da etwas Positives hatte,
wo sich die anderen nur mit kümmerlichen Surro—
gaten aushelfen mußten.
Das Gespräch am Tische war inzwischen ver—
stummt und alle hörten eifrig dem Vortragenden zu
mit dem geheimen Wunsche, daß er bald fertig sein
möge, und immer häufigeren Blicken auf die Uhr.
Auch der von seinem jungen Dichter begeisterte
Prophet mußte schließlich diese allgemeine Sehnsucht
gewahr werden und faßte nun alles schon Gesagte
noch einmal in einem prächtigen Schlußsatze zu—
sammen. Dann verließ er die Rednerbühne unter
allgemeinem Beifall.
Die Stimmung wurde jetzt animierter, man
sprach von Tisch zu Tisch herüber, einzelne der Gäste
traten zwanglos vor und trugen eigene Dichtungen
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