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„Rensé, ich weiß wahrhaftig nicht, was aus dir
noch werden soll! Hast du denn gar kein Pflicht⸗
gefühl? Dann bummelt man eben nicht so lange
oder sucht sich dazu den Sonnabend aus, wo man
Zeit hat. Papa ist heute morgen wieder außer sich
gewesen, wie er wegging, und du warst noch nicht
aufgestanden. Dann ist Onkel Fritz hier gewesen
und hat erzählt, daß er dich gestern abend im Kaiser—
Café mit dem Frauenzimmer, der Thea vom Winter⸗
garten gesehen hat. Papa hat einen furchtbaren
Krach mit ihm gehabt. Ich weiß nicht, wie das
werden soll!“
Kopfschüttelnd und händeringend wollte sie das
Zimmer verlassen.
„Du, Mama!“
Sie wandte sich um. Offenbar glaubte sie, daß
ein Ausbruch von Rens folgen würde.
„Nun?“
„Ich werde überhaupt nicht mehr ins Geschäft
gehen, Mama!“
Ihr wurde zumute, als stände ihr Herz still.
Ein Unglück für sie wie für die Familie war dieser
Junge, an dem sie doch mit der verzweifelten Energie
vertrauender Mutterliebe festhielt. Schon während
der Schulzeit war sie immer der Blitzableiter ge⸗
wesen, der den Zorn des Vaters hatte ablenken
müssen. Der Stiefvater mit seinem ordnungslie⸗
benden, tüchtigen Wesen, seiner Beharrlichkeit in der
Verfolgung eines einmal angestrebten Zieles begriff
diese Zerfahrenheit seines Sohnes nicht, die bald in