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„Das wirst du nicht, Naemi, ich weiß es.
Stammst du nicht aus einer alten Familie und bist
stolz darauf wie wir alle? Die Familie vor allem!
Das liegt im jüdischen Blut. Wer sich von ihr löst,
verliert sein Bestes.“
Naemi erhob sich seufzend. Die Unterhaltung
hatte sie aufgeregt, und ihr Gesicht war blutrot.
„Du hast recht, Rens! Das Ende wird so sein,
wie ich es vorhin vorausgesehen habe. Aber daß ich
ihm so hilflos entgegengehe, daß ich mich nicht aus
Leibeskräften dagegen wehre — das ist furchtbare
Feigheit.“
Sie hob ihre Hände stöhnend zu den Schläfen
und flüsterte:
„Ist es nicht sonderbar, Renéè, daß wir beide
künstlerische Neigungen haben?“
„Weil wir Juden sind, Naemi!“
„Wie meinst du das?“
„Alle Juden aus alten Familien haben in unserer
Zeit künstlerische Neigung. Kunst ist ein Kultur—⸗
gipfel. Die feinste Kultur trifft man aber immer bei
den entarteten Sprößlingen alter Geschlechter an, die
nur noch Nerven sind. Sieh meine Hände und Füße
an, wie unnatürlich fein und zart sie sind! Und du
selbst wie ein Porzellanpüppchen mit deiner dünnen
weißen Haut, unter der die blauen Adern beängsti⸗
gend hervorschlagen! Wir sind Künstler, weil wir
aus altem Geschlechte entsprossen, weil wir Décadents
sind, Naemi!“
Naemi sah ihn sinnend an.