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vor und machten neugierig, um dann die Pointe
schön und überraschend herausgearbeitet vorzubringen.
Bedauerlich war nur, daß sein Ideenkreis sich immer
um dieselben Gegenstände zu bewegen schien. Wie
er Literatur sprach, so war auch alles, was ihn in⸗
teressierte, Literatur.
René war von ihm stark enttäuscht, wie das
jungen Leuten ja immer bei der ersten Bekanntschaft
mit Berühmtheiten zu gehen pflegt. Er hatte etwas
Überschäumendes, Kraftvolles erwartet und fand einen
ziemlich oberflächlich plaudernden Gesellschaftsmenschen.
Auch trug es dazu bei, ihn mißtrauisch zu machen,
daß ihm der Altere stets beistimmte, wenn er eine
Ansicht äußerte. Er sah darin das Zeichen eines
nicht grade übertrieben festen Charakters und nahm
diese Höflichkeit für Schwäche. Hatte dieser Mann
nicht vorhin der Dichterin große Elogen gemacht,
um sie nachher sieben Mal zu verleugnen? Rensé
haßte diese kleinen gesellschaftlichen Lügen, weil er
sie noch allzu ernst nahm.
Weit besser gefiel ihm die Frau. Ihre Schweig—
samkeit und das verborgene Leiden in ihren Zügen
— zwei Dinge, die Frauen jungen Leuten immer
interessant machen — nahmen ihn sehr für sie ein.
—AR
auf seinen Arm und hörte seinen Worten mit auf—
merksamen Augen zu. Rens war sich voll und ganz
bewußt, daß in seinem Interesse keine Spur einer
etwa entstehenden Leidenschaft, sondern nur ein war—
mes Verwandtschafts⸗ und Mitgefühl enthalten war.