101
haben als in dem weiter entfernten Königsberg. So wurden
denn die Vorbereitungen zur Abreise getroffen und diese endgültig
auf Mitte Dezember festgesetzt. Niemand sah ihr mit größerer
Freude entgegen als die Königin. „Es wird einem ganz elend vor
Seligkeit, wenn man daran denkt“, schrieb sie an ihren Bruder
Georg. Freilich mischten sich in den Ausdruck ihrer Freude über
die Rückkehr nach Berlin auch hin und wieder dunkle Ahnungen
und Klagen über die Ungewißheit der Zukunft. Nach einer Reihe
von Abschiedsfestlichkeiten verließ das Königspaar am 15. Dezember
die Hauptstadt Ostpreußens, wo es zwei Jahre in Sorgen und
Leiden verlebt hatte, aber doch voll Dank für alle Beweise der
Liebe und Treue, die dem König und der Königin hier zuteil
geworden waren. Auf der Durchreise durch Stargard hatten sie
Gelegenheit, den tapferen Verteidiger der Festung Kolberg, Joachim
Nettelbeck, zu begrüßen. Er wurde mit andern Vertretern der
Provinz Pommern zur königlichen Tafel geladen. Als er sich nach
deren Aufhebung entfernen wollte, forderte ihn das Königspaar
auf, noch zu einer Unterredung zurückzubleiben. Der König legte
ihm die Hand auf die Schulter und fragte: „Haben Sie noch
etwas auf dem Herzen?“ Er nahm vielleicht an, daß Nettelbeck
noch etwas zu erbitten wünschte. Dieser aber brach treuherzig
nur in die Worte aus: „Ach, wenn ich Eure Majestät und meine
gute Königin jetzt so vor mir sehe und bedenke das Unglück, daß
Sie noch immer so schwer zu tragen haben: dann ist mir's, als
müßte mir das Herz aus dem Leibe fallen. Gott erhalte Eure
Majestät, und gebe Ihnen Kraft und Stärke, daß Sie diese harte
Schicksalsprüfung bald und glücklich überstehen mögen.“ Dem Auge
des Königs entquollen bei diesen Worten helle Tränen. Die
Königin aber streichelte ihm leise die Wangen und weinte auch.
Bei diesem Anblick rief der alte Nettelbeck: „Gott erhalte Sie,
meine gute Königin, zum Troste meines Königs, denn ohne Sie
wäre er schon vergangen in seinem Unglück.“ Er gab damit einer
Empfindung Ausdruck, die in jenen Tagen in Tausenden von
Herzen wiederklang. Von Freienwalde aus näherte sich das
Königspaar am 23. Dezember, einem prachtvollen Wintersonntage,
der Hauptstadt, an demselben Tage, an dem die Königin vor
sechzehn Jahren als Braut ihren festlichen Einzug gehalten hatte.
Von der Bevölkerung, die sich auf den Straßen drüngte, wurden
König und Königin mit lautem Jubel begrüßt. Die Königin fuhr