— 349 —
Mama Livland, sonst immer so gefaßt, war von
der Geburt Hildens nicht entzuͤckt. Da, seit ihr Sohn
von ihr fortgezogen war und sich verheiratet hatte, sie
noch mehr Zeit zum Nachdenken und nicht immer zu
heiterem hatte, saß sie jetzt stundenlang auf ihrem
Sofa, klapperte mit den Stricknadeln, und wenn
sie nicht zaͤrtlich an ihren Sohn oder ein wenig
schmerzlich oder mißguͤnstig an seine Frau dachte,
uͤberlegte sie das Schicksal, daß dieser kleinen Hilde
einmal erbluͤhen wuͤrde. Erbluͤhen, fand sie, war ein
falscher Ausdruck. Und geneigt, die persoͤnlichen Er⸗
lebnisse nur fuͤr Teilerscheinungen menschlicher Er—⸗
lebnisse zu halten, entwickelte sie den allgemeinen
Satz, daß ein Anwalt ohne Vermoͤgen keine Tochter
bekommen sollte, was, in dieser Allgemeinheit ausge⸗
sprochen, schwerlich zutraf.
Mama Anschuͤtz, die Pflege- und Wachpostendienst
an Susannens Bett hielt, war ebenfalls uͤber das
Erscheinen des Enkelchens nicht erfreut.
„Wie Schwestern es verschieden haben koͤnnen,“
dachte sie, und sie sah schon Even mit einem Herrn
verheiratet, der sich eine Equipage hielt, waͤhrend
Hilde sich recht bescheiden mit einer kleinen Partie
zufrieden geben mußte. „Geld ist Geld,“ dachte sie
fuͤr sich und fuͤhlte den Stachel, daß ihr jetziger
Schwiegersohn kein Geld hatte, bitter.
... Albert litt unter den vielen Frauen, die nun
sein Haus fuͤllten. Er hatte Bedenken, ob er den ge⸗