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sah sein reingemasertes Holz verliebt und lange an.
Darauf schlenderte sie an das Fenster und sah auf
die Straße, deren wundervolle Streckung sich hier
besonders genießen ließ, da das Fenster in einen Erker
gelassen war. Schließlich wandte sie sich in das
nebenan gelegene Zimmer, die Haͤnde bei dem Durch⸗
gang in den Vorhang wuͤhlend. Sie ging zu ihrer
Bibliothek, glitt mit der Hand den schoͤnsten Baͤnden
uͤber den Ruͤcken, zog einen Band heraus und legte
sein Leder an die Wange, ganz sanft, wie sie zuweilen
einen jungen Menschen zu sich herangezogen und
seine Wange an ihre gelegt hatte (aber sie wurde
ernstlich boͤse, denn an diesen jungen Menschen wuͤrde
sie in diesen Raͤumen nun nicht mehr denken), dann
druͤckte sie sich in einen runden Holzsessel in einer
Ecke zwischen chinesischen Lackwaͤnden, auf welche
wundersame Zweige und Voͤglein aufgeschnitzt wa⸗
ren, und mit zuruͤckgelehntem Kopf sah sie zu
einer chinesischen Laterne auf, in die sie mit einem
Griff ein kleines und mattes, die bunten Scheiben
anstrahlendes Flaͤmmchen druͤckte. Man brachte
ihr Tee nach vorn, stellte ein Koͤrblein mit Gebaͤck
daneben. Aber sie vermochte nicht zu trinken und
nicht hineinzugreifen. Es waren doch wohl mit ihr
Dinge vorgegangen, die einen nicht einfach suͤßen
Tee loͤffeln und die die Zaͤhne in knuspriges Ge⸗
baͤck verschwinden ließen. Ja, sie fror einmal auf
und mußte die Beine zusammendraͤngen, um nicht