Sie packte rasch das Nötigste und schickte der Baronin
eine telegraphische Zusage. Als Marie zum Essen nach
Hause kam, bat sie Eva, niemandem ihre Adresse zu ver⸗
raten und ihr nur Briefe nachzuschicken. Marie ahnte
wohl. was die kühle Eva so in Glut und Feuer gebracht
haben könnte, aber sie fragte nicht; Eva würde sich schon
allein zurechtfinden. Sie verabschiedeten sich herzlich und
verabredeten ein Wiedersehen am nächsten Sonntag. Eva
wurde in Wannsee mit freudiger Ungeduld erwartet. Die
Baronin stand schon mit ihrer großen, weißen Angorakatze
wartend am Fenster, und die zwei kleinen Mädchen Lilli
und Cilli drückten ihre Näschen platt an die Scheibe.
„Eia, da kommt die Maltantel“, jubelte Lilli. Cilli machte
ein Mäulchen: „Das ist gar keine richtige Maltante, sie
hat ja keinen Schlapphut und keine Staffelei wie Maler
Klexel im Bilderbuch.“
Trotzdem knixten sie beide sehr artig, als Eva kam.
Die Baronin hatte einen Kaffeetisch hergerichtet, und
Cilli und Lilli stippten vor lauter Eifer ihre Hänge—
löckchen in die Schlagsahne. Darüber mußte Eva so
herzlich lachen, daß die kleine Gesellschaft halb geschmei⸗—
chelt, halb beleidigt war. Die Baronin fragte nach
Dr. Seraph; Eva hatte ihn bei seinem letzten Vortrag
zugleich mit der Baronin zum letzten Male gesehen. Die
Baronin war außer sich. So einen bedeutenden Mann
zum Onkel zu haben und nicht täglich, ja stündlich bei
ihm zu sein und von seiner Weisheit zu lernen, das war
ein fast sträflicher CLeichtsinn. „Wir haben nicht viele so
bedeutende und vorgeschrittene Männer wie ihn, mein
liebes Kindl“, sagte die Baronin.
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