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Hauslehrerleben

Full text: Aus acht Jahrzehnten / Schultze, Karl (Public Domain)

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sein. Da mein Prinzipal Intendant der Königlichen Schau— 
spiele war, hatte ich oft Gelegenheit, die Dresdener Oper und 
das Schauspiel zu besuchen. Beide waren damals mit den 
besten Kräften besetzt. R.Wagner als Kapellmeister und seine 
Nichte Johanne Wagner, neben ihr Tichatschek, im Schauspiel 
Emil und Eduard Devrient, M. Bayer und andere Kory— 
phäen der Bühne standen damals auf der Höhe ihres Ruhmes. 
Außerdem boten die Kunstsammlungen reichen Genuß. Dazu 
kam im Sommer der Aufenthalt in dem nahen Pillnitz, wo wir 
ein sehr geräumiges Landhaus mit Weinberg bewohnten. Von 
dort aus konnten ohne große Mühe alle Punkte der Sächsischen 
Schweiz besucht werden. 
So hätte ich mich in dieser Stellung recht wohl fühlen 
können, auch wurde mir seitens meiner Prinzipalität eine schöne 
Zukunft in Aussicht gestellt: mein Zögling sollte von der Se— 
kunda ab ein Gymnasium besuchen, ohne daß ich meine Stellung 
aufzugeben brauchte, ich sollte ihn dann auf eine Universität und 
auf Reisen begleiten; auch würde es leicht sein, mir dann in 
Sachsen eine Pfarrstelle zu verschaffen. Aber alle diese schönen 
Aussichten konnten mich nicht bewegen, in den Ton einzustimmen, 
der in politischen Fragen die höfischen Kreise beherrschte, in 
denen ich mich bewegen mußte. Ein zahlreicher Kreis höherer 
Hofbeamter fand sich häufig an der Tafel ein; und ich konnte 
es nicht über mich gewinnen, stumm beiseite zu sitzen und ohne 
Widerspruch die wunderlichsten Dinge anzuhören. Als z. B. 
von dem Empfange des Reichsverwesers Erzherzogs Johann durch 
deutsche Studenten in Jena die Rede war, äußerte ein neben 
mir sitzender Kammerherr sich darüber empört, daß man den 
Erzherzog dort mit „Du“ angeredet habe. Ich konnte mich 
nicht enthalten zu erwidern, daß man im Gebete sogar den lieben 
Gott mit „Du“ anrede. Ein andermal war von der Möglich— 
keit einer Kaiserwahl in Frankfurt die Rede. Da äußerte ein 
Herr: „Ein Hohenzoller dürfe nicht Kaiser werden, die Hohen⸗ 
zollern hätten alle etwas Wildes im Blute, ein sächsischer Prinz
	        
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