54
sein. Da mein Prinzipal Intendant der Königlichen Schau—
spiele war, hatte ich oft Gelegenheit, die Dresdener Oper und
das Schauspiel zu besuchen. Beide waren damals mit den
besten Kräften besetzt. R.Wagner als Kapellmeister und seine
Nichte Johanne Wagner, neben ihr Tichatschek, im Schauspiel
Emil und Eduard Devrient, M. Bayer und andere Kory—
phäen der Bühne standen damals auf der Höhe ihres Ruhmes.
Außerdem boten die Kunstsammlungen reichen Genuß. Dazu
kam im Sommer der Aufenthalt in dem nahen Pillnitz, wo wir
ein sehr geräumiges Landhaus mit Weinberg bewohnten. Von
dort aus konnten ohne große Mühe alle Punkte der Sächsischen
Schweiz besucht werden.
So hätte ich mich in dieser Stellung recht wohl fühlen
können, auch wurde mir seitens meiner Prinzipalität eine schöne
Zukunft in Aussicht gestellt: mein Zögling sollte von der Se—
kunda ab ein Gymnasium besuchen, ohne daß ich meine Stellung
aufzugeben brauchte, ich sollte ihn dann auf eine Universität und
auf Reisen begleiten; auch würde es leicht sein, mir dann in
Sachsen eine Pfarrstelle zu verschaffen. Aber alle diese schönen
Aussichten konnten mich nicht bewegen, in den Ton einzustimmen,
der in politischen Fragen die höfischen Kreise beherrschte, in
denen ich mich bewegen mußte. Ein zahlreicher Kreis höherer
Hofbeamter fand sich häufig an der Tafel ein; und ich konnte
es nicht über mich gewinnen, stumm beiseite zu sitzen und ohne
Widerspruch die wunderlichsten Dinge anzuhören. Als z. B.
von dem Empfange des Reichsverwesers Erzherzogs Johann durch
deutsche Studenten in Jena die Rede war, äußerte ein neben
mir sitzender Kammerherr sich darüber empört, daß man den
Erzherzog dort mit „Du“ angeredet habe. Ich konnte mich
nicht enthalten zu erwidern, daß man im Gebete sogar den lieben
Gott mit „Du“ anrede. Ein andermal war von der Möglich—
keit einer Kaiserwahl in Frankfurt die Rede. Da äußerte ein
Herr: „Ein Hohenzoller dürfe nicht Kaiser werden, die Hohen⸗
zollern hätten alle etwas Wildes im Blute, ein sächsischer Prinz