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schaftlich verkehre, suchen mich auf und sprechen mit mir von
alten Zeiten und von der neuen Zeit, so daß ich mich im hohen
Alter doch immer noch geistig orientieren kann.
Wie wertvoll solche Teilnahme von Verwandten und Freun—⸗
den für uns ist, trat uns lebendig vor die Seele, als wir am
1. September 1903 das Jubelfest unserer goldenen Hochzeit
feiern durften.
Um dies in aller Stille erleben zu können, hatten wir uns
in Begleitung unserer Nichte Marie Schultze aus Grimnitz,
die seit dem Tode ihres Vaters unsere Hausgenossin war, für
einige Tage nach Potsdam begeben, und unsere nächsten Ver—⸗
wandten dorthin zu einem Festmahl eingeladen. Einige zwanzig
derselben waren erschienen und bezeigten uns damit ihre alte
Liebe, für die wir ihnen und unserem Goit aufs innigste dank—
bar waren.
Im Winter 1903/04 erkrankte ich ernstlich an einem Gicht⸗
anfall und durfte bis zum Frühjahr das Zimmer nicht ver⸗—
lassen. Doch half mir Gott gnädig hindurch; im Sommer
konnten wir die gewohnte Kur in Kissingen gebrauchen und
darauf in Schierke noch einige Wochen Nachkur halten. Ein
Unfall, der meine Frau hier traf und mich in großen Schrecken
versetzte, ging ebenfalls besser vorüber, als wir gefürchtet hatten.
Sie fiel mehrere Treppenstufen hinunter und trug eine schwere
Quetschung des linken Armes davon, so daß sie viele Wochen
hindurch den Arm nicht gebrauchen konnte. Es war eine günstige
Schickung, daß wir unsere Nichte Marie Schultze bei uns
hatten, die eine treue Krankenpflegerin war und bis zum März
1906 in unserem Hause blieb. Wir ließen sie ungern von uns,
mußten aber in ihrem eigenen Interesse es verstehen, daß sie in
eine Stelle zu kommen suchte, wo sie einen ihrer Kraft und
Begabung zusagenden Wirkungskreis fand. Es gelang ihr,
einen solchen in der Hofhaltung des Prinzen Eitel Friedrich zu
finden. So stehen wir beiden Alten wieder allein, danken Gott
täglich, daß er uns noch beieinander gelassen hat, und leben