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Die Eltern

Full text: Aus acht Jahrzehnten / Schultze, Karl (Public Domain)

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Oberpfarrer, der neben der Pflege des kirchlichen Lebens auch 
ganz besonders die Jugenderziehung ins Auge faßte, umfang- 
reiche Aufgaben zu lösen. Das gesamte Volksschulwesen lag 
im argen. Die etwa 1000 Kinder der Stadt waren in einzelnen 
Winkelschulen untergebracht, die in keinem Zusammenhange standen 
und einer regelmäßigen Aufsicht entbehrten. Nun galt damals 
noch die gute kirchliche Sitte, daß am Sonntag nach Michaelis 
eine sogenannte Schulpredigt gehalten wurde. An diesem Sonn⸗ 
tag 1836 hielt mein Vater eine eindringliche Predigt über christ⸗ 
liche Erziehung und wies auf die Mängel der städtischen Volks— 
schule hin. Ich höre ihn heute noch die Worte sagen: „Ihr 
Väter der Stadt, versäumet nicht Eure Pflicht gegen die heran— 
wachsende Jugend, noch heute tretet zusammen und beschließet 
einen Schulbau, in welchem alle Kinder der Stadt unter Leitung 
eines erfahrenen Rektors eine einheitliche, organisch gegliederte 
Ausbildung empfangen und in christlicher Zucht erzogen werden 
können.“ Die Predigt hatte die Wirkung, daß nach Jahr und 
Tag am Wilhelmsplatz ein stattliches Schulhaus entstand und 
ein Rektor angestellt wurde. Unter Anwesenheit des Regierungs— 
präsidenten aus Frankfurt wurde die Stadtschule eingeweiht. 
Fest eingeprägt haben sich meinem Gedächtnis einzelne Züge 
von der speziellen Pflege der Jugenderziehung und von der 
seelsorgerischen Fürsorge in den Gemeinden. 
In Reitwein mußten häufig Knaben, die sich in Feld und 
Wald umhertrieben, bei dem Vater antreten, erhielten War— 
nungen oder ernstliche Verweise und standen unter fortlaufender 
Aufsicht, so daß sie regelmäßig antreten und angeben mußten, 
wie sie die Zeit außerhalb der Schule oder des Vaterhauses 
zugebracht hatten. 
Dasselbe geschah in Müncheberg. Hier mußte sogar einmal 
ein jüdischer Knabe mit meinem Vater ins Haus kommen, mußte 
im Arbeitszimmer den 14. Psalm auswendig lernen („Die Toren 
sprechen in ihrem Herzen“) und wurde dann mit Warnungen ent⸗ 
lassen.
	        
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