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Anderweitige Interessen und Arbeiten.
Obwohl von Jahr zu Jahr Lehrer und Schüler in das
Unterrichts- und Anstaltsleben fester hineinwuchsen, so kann ich
doch nicht sagen, daß meine Arbeit geringer geworden wäre.
Das verhinderten schon die fortgesetzt nötigen Erneuerungen und
Reparaturen des großen Haus- und konomieinventars; das
verhinderten auch die vielen Hospitanten, die sich namentlich im
Sommer zahlreich einfanden. Es verging im Sommer fast keine
Woche, in der nicht einige Besucher vorhanden waren, die von
dem Betriebe der Anstalt Kenntnis nehmen wollten, so daß ich
in meinem Sprechzimmer immer auf dem Posten sein, d. h.
auf Wache ziehen mußte. — Meistenteils blieben wenigstens die
Abende für mich frei, und ich konnte auch anderen Dingen
neben der Seminararbeit mein Interesse zuwenden. So trat
ich mit meiner Frau dem Löweverein bei, der sich monatlich
versammelt, um die herrliche Balladenmusik von C. Löwe zu
pflegen und an ihr sich zu erquicken und zu erfrischen.
Als Luthers 400 jährige Geburtstagsfeier 1883 näher rückte,
baäten mich die Berliner Lehrervereine, ihnen einen Vortrag über
Luther zu halten. Dies tat ich mit Freuden und sprach vor
einer zahlreichen Versammlung über „Luthers Bildungs—
ideale“. Der Vortrag wurde in der Berliner „Pädagogischen
Zeitung“ abgedruckt. Ich wies nach, wie die Bewegung im
Zeitalter der Reformation vom religiösen Boden ausging, weil
in Deutschland nach L. Rankes Wort nichts mächtiger ist,
als der religiöse Gedanke, wie sie sich aber nach und nach
allen Strömungen des öffentlichen und des Familienlebens mit—
geteilt und reformierend gewirkt habe; wie sie im Staate,
der Schule, der Wissenschaft, der Kunst regenerierend auf—⸗
getreten sei. Die Alternative auf dem Gebiete der Wissenschaft
lag zu Luthers Zeit also: entweder Christentum mit Ausschluß
menschlicher Wissenschaft, oder menschliche Wissenschaft ohne
Christentum. Das erste mußte zur Barbarei, das zweite zum