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Seminardirektor in der Friedrichstraße Nr. 229. 1879-1889 Anderweitige Interessen und Arbeiten

Full text: Aus acht Jahrzehnten / Schultze, Karl (Public Domain)

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Anderweitige Interessen und Arbeiten. 
Obwohl von Jahr zu Jahr Lehrer und Schüler in das 
Unterrichts- und Anstaltsleben fester hineinwuchsen, so kann ich 
doch nicht sagen, daß meine Arbeit geringer geworden wäre. 
Das verhinderten schon die fortgesetzt nötigen Erneuerungen und 
Reparaturen des großen Haus- und konomieinventars; das 
verhinderten auch die vielen Hospitanten, die sich namentlich im 
Sommer zahlreich einfanden. Es verging im Sommer fast keine 
Woche, in der nicht einige Besucher vorhanden waren, die von 
dem Betriebe der Anstalt Kenntnis nehmen wollten, so daß ich 
in meinem Sprechzimmer immer auf dem Posten sein, d. h. 
auf Wache ziehen mußte. — Meistenteils blieben wenigstens die 
Abende für mich frei, und ich konnte auch anderen Dingen 
neben der Seminararbeit mein Interesse zuwenden. So trat 
ich mit meiner Frau dem Löweverein bei, der sich monatlich 
versammelt, um die herrliche Balladenmusik von C. Löwe zu 
pflegen und an ihr sich zu erquicken und zu erfrischen. 
Als Luthers 400 jährige Geburtstagsfeier 1883 näher rückte, 
baäten mich die Berliner Lehrervereine, ihnen einen Vortrag über 
Luther zu halten. Dies tat ich mit Freuden und sprach vor 
einer zahlreichen Versammlung über „Luthers Bildungs— 
ideale“. Der Vortrag wurde in der Berliner „Pädagogischen 
Zeitung“ abgedruckt. Ich wies nach, wie die Bewegung im 
Zeitalter der Reformation vom religiösen Boden ausging, weil 
in Deutschland nach L. Rankes Wort nichts mächtiger ist, 
als der religiöse Gedanke, wie sie sich aber nach und nach 
allen Strömungen des öffentlichen und des Familienlebens mit— 
geteilt und reformierend gewirkt habe; wie sie im Staate, 
der Schule, der Wissenschaft, der Kunst regenerierend auf—⸗ 
getreten sei. Die Alternative auf dem Gebiete der Wissenschaft 
lag zu Luthers Zeit also: entweder Christentum mit Ausschluß 
menschlicher Wissenschaft, oder menschliche Wissenschaft ohne 
Christentum. Das erste mußte zur Barbarei, das zweite zum
	        
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