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Seminardirektor in Berlin 1873-1879 Oranienburger Straße Nr. 29

Full text: Aus acht Jahrzehnten / Schultze, Karl (Public Domain)

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eine nach allen Seiten geordnete Arbeit einzutreten hoffen darf, 
in ein Arbeitsfeld, das viele Jahre hindurch von hervorragenden 
Pädagogen gepflegt und bis zu dieser Stunde bearbeitet worden 
ist. Diese Freude und Zuversicht hebt mich über manche Sorge 
und Schwierigkeit hinweg. Es ist aber noch eine andere per⸗ 
sönliche Empfindung in meiner Seele, und ich kann sie heute 
an diesem Orte nicht unterdrücken, das ist die Erinnerung an 
die Männer, die vor mir im Laufe von 40 Jahren in diesen 
Räumen gewirkt haben. Es ist ihrer schon soeben aus dem 
Munde des Herrn Schulrats Wetzel gedacht worden; aber Sie 
könnten sich mit Recht wundern, wenn ich, der ich heute ihre 
Erbschaft antrete, nicht auch ein Wort für sie hätte. 
Dieses Seminar zeigt ja in seiner Geschichte aufs aller— 
deutlichste die geschichtliche Entwickelung des preußischen Volks— 
schulwesens, es repräsentiert namentlich in seinem ersten und in 
seinem jüngsten, nunmehr in eine höhere Stellung berufenen 
Direktor ein gut Stück Geschichte der Pädagogik. Es ist die 
Stätte, an der Adolf Diesterweg, der Pädagoge der Methode, 
freilich in einer trüben und politisch chaotischen Zeit, in die 
er mit seinem politischen konsequenten Denken vielleicht nicht 
hineinpaßte, jahrelang gewirkt, neue Wege gewiesen und Tau⸗ 
sende von Lehrern zu energischer Arbeit angeregt hat. Es ist 
auch die Stätte, an der zuletzt der Mann stand, der nunmehr 
berufen ist, das, was geschichtlich sich entwickelt hat, in eine 
neue Bahn überzuleiten, das Berechtigte einer früheren Periode 
zu konservieren, das Einseitige auszuscheiden, und der, wie wir 
alle wissen, hierzu einen festen grundlegenden Anfang gemacht 
hat. Es ist auch die Stätte, wo neben den genannten andere 
Männer gestanden haben, jeder in seiner Weise anregend und 
tätig in engeren und weiteren Kreisen. 
Die Erbschaft dieser Männer trete ich heute an; nun, so 
spreche ich es an dieser Stelle aus, daß ich mit vollem Bewußt⸗ 
sein, mit klarer Erkenntnis, mit meinem besten Willen und mit 
meiner ganzen Kraft diese Erbschaft antreten will. Ich trete in
	        
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