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Drittes Kapitel. Die kurfürstliche Residenz. 1448-1648

Full text: Berlin in Geschichte und Gegenwart / Goldschmidt, Paul (Public Domain)

Joachim J. 
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zu ziehen, hatte aber damit kein rechtes Glück. Abt Tritheim, der im 
Herbst 1505 auf Joachims Einladung hierher kam, war ein Gelehrter von 
Ruf, es gefiel ihm aber hier durchaus nicht. In seinen aus Berlin ge— 
schriebenen Briefen lobt er zwar die Berliner und die Märker wegen ihrer 
Frömmigkeit, weil sie die Kirchen fleißig besuchen, mit Andacht die Feste 
feiern und die Fasten strenger halten als alle anderen Völker, die er 
kennen gelernt hat. Aber sie sind dem Trunke allzu sehr ergeben und be— 
flecken dadurch das Verdienst des Fastens: „denn leben heißt bei ihnen 
fast nichts anderes als essen und trinken“. „Die Berliner“, sagt er in 
einem anderen Briefe, „sind zwar gut, aber allzu ungebildet“. Deshalb 
schlug Tritheim alle Anerbietungen Joachims aus und kehrte im Früh— 
jahr 1506 nach Süddeutschland zurück. Dauernd ließ sich Carion fesseln, 
der zugleich Arzt, Astrologe und Geschichtsschreiber war, aber unter den 
Gelehrten seiner Zeit nur eine bescheidene Rolle spielte. Sein bestes Werk 
ist eine unter Mitwirkung von Melanchthon verfaßte Weltgeschichte, die 
ziemliches Ansehen genoß und mehrmals gedruckt wurde. Der abergläubische 
Kurfürst schätzte ihn vornehmlich als Astrologen, er richtete ihm im Schlosse 
eine Sternwarte ein und arbeitete dort mit ihm. Sein Glaube an Carions 
Wissenschaft wurde auch dadurch nicht erschüttert, daß dessen Prophezeiungen 
in der Regel nicht eintrafen. Einen besonders drastischen Fall erzählt, 
allerdings als einziger Gewährsmann, Magister Hafftitz, der nicht lange 
nach der Zeit Joachims, von 1549 an fast vierzig Jahre lang in Berlin 
und Kölln als Lehrer und Schulrektor tätig gewesen ist. Er berichtet, was 
er gehört hat und was damals hier geglaubt wurde. Carion habe für 
den 15. Juni 1525 ein großes Unwetter berechnet, bei dem der Untergang 
von Berlin und Kölln zu besorgen wäre. Da sei Kurfürst Joachim „mit 
seiner Gemahlin, der jungen Herrschaft und vornehmsten Offizieren auf 
den Tempelhofischen Berg gezogen und den Untergang der beiden Städte 
ansehen wollen. Als er aber lange darauf gehalten und nichts daraus 
worden, hat ihn sein Gemahl (wie es eine sehr gottesfürchtige und christ— 
liche Fürstin gewesen) gebeten, daß er möchte wieder hineinziehen und bei 
seinen armen Unterthanen auswarten, was Gott thun wollte, weil sie es 
vielleicht nicht allein verschuldet. Darüber er bewogen, und ist um vier 
Uhr gegen abend wieder gegen Kölln gezogen; ehe er aber aufs Schloß 
kommen, hat sich ein Wetter bewiesen, und wie er unter das Schloßtor 
kommen, hats dem Kurfürsten vier Pferde vor dem Wagen sammt dem 
Knechte erschlagen und sunsten keinen Schaden mehr gethan“. 
Wiederholt ist die Mark damals von der Pest heimgesucht worden, 
namentlich 1500, 1502 und 1516. In dem zuletzt genannten Jahre trat 
sie in Berlin und Kölln mit besonderer Heftigkeit auf, fast jede Familie 
war in Trauer versetzt. Da das große Sterben von den Kanzeln als
	        
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