Joachim J.
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zu ziehen, hatte aber damit kein rechtes Glück. Abt Tritheim, der im
Herbst 1505 auf Joachims Einladung hierher kam, war ein Gelehrter von
Ruf, es gefiel ihm aber hier durchaus nicht. In seinen aus Berlin ge—
schriebenen Briefen lobt er zwar die Berliner und die Märker wegen ihrer
Frömmigkeit, weil sie die Kirchen fleißig besuchen, mit Andacht die Feste
feiern und die Fasten strenger halten als alle anderen Völker, die er
kennen gelernt hat. Aber sie sind dem Trunke allzu sehr ergeben und be—
flecken dadurch das Verdienst des Fastens: „denn leben heißt bei ihnen
fast nichts anderes als essen und trinken“. „Die Berliner“, sagt er in
einem anderen Briefe, „sind zwar gut, aber allzu ungebildet“. Deshalb
schlug Tritheim alle Anerbietungen Joachims aus und kehrte im Früh—
jahr 1506 nach Süddeutschland zurück. Dauernd ließ sich Carion fesseln,
der zugleich Arzt, Astrologe und Geschichtsschreiber war, aber unter den
Gelehrten seiner Zeit nur eine bescheidene Rolle spielte. Sein bestes Werk
ist eine unter Mitwirkung von Melanchthon verfaßte Weltgeschichte, die
ziemliches Ansehen genoß und mehrmals gedruckt wurde. Der abergläubische
Kurfürst schätzte ihn vornehmlich als Astrologen, er richtete ihm im Schlosse
eine Sternwarte ein und arbeitete dort mit ihm. Sein Glaube an Carions
Wissenschaft wurde auch dadurch nicht erschüttert, daß dessen Prophezeiungen
in der Regel nicht eintrafen. Einen besonders drastischen Fall erzählt,
allerdings als einziger Gewährsmann, Magister Hafftitz, der nicht lange
nach der Zeit Joachims, von 1549 an fast vierzig Jahre lang in Berlin
und Kölln als Lehrer und Schulrektor tätig gewesen ist. Er berichtet, was
er gehört hat und was damals hier geglaubt wurde. Carion habe für
den 15. Juni 1525 ein großes Unwetter berechnet, bei dem der Untergang
von Berlin und Kölln zu besorgen wäre. Da sei Kurfürst Joachim „mit
seiner Gemahlin, der jungen Herrschaft und vornehmsten Offizieren auf
den Tempelhofischen Berg gezogen und den Untergang der beiden Städte
ansehen wollen. Als er aber lange darauf gehalten und nichts daraus
worden, hat ihn sein Gemahl (wie es eine sehr gottesfürchtige und christ—
liche Fürstin gewesen) gebeten, daß er möchte wieder hineinziehen und bei
seinen armen Unterthanen auswarten, was Gott thun wollte, weil sie es
vielleicht nicht allein verschuldet. Darüber er bewogen, und ist um vier
Uhr gegen abend wieder gegen Kölln gezogen; ehe er aber aufs Schloß
kommen, hat sich ein Wetter bewiesen, und wie er unter das Schloßtor
kommen, hats dem Kurfürsten vier Pferde vor dem Wagen sammt dem
Knechte erschlagen und sunsten keinen Schaden mehr gethan“.
Wiederholt ist die Mark damals von der Pest heimgesucht worden,
namentlich 1500, 1502 und 1516. In dem zuletzt genannten Jahre trat
sie in Berlin und Kölln mit besonderer Heftigkeit auf, fast jede Familie
war in Trauer versetzt. Da das große Sterben von den Kanzeln als