Path:
Neuntes Kapitel. Die Entwickelung zur Weltstadt Fünfter Abschnitt. Beleuchtung, Wasserzufuhr und Entwässerung

Full text: Berlin in Geschichte und Gegenwart / Goldschmidt, Paul (Public Domain)

Wasserwerke. 
355 
auf dem Seeboden verlegten Kanals. Dies Seewasser erforderte indessen 
eine sehr lange und gründliche Filtrierung, um die schwebenden Stoffe und 
Bakterien zurückzuhalten, während bei gutem Brunnenwasser den Filtern 
nur die Aufgabe zufällt, das etwa im Wasser vorhandene Eisen auf⸗ 
zusaugen. Angestellte Versuche ergaben, daß nahe beim Tegeler wie beim 
Müggelsee in durchschnittlicher Tiefe von 50 Metern der grobe Sand und 
die Kieslager über der Tonschicht einen starken, sich fortdauernd erneuernden 
Strom vorzüglichen Wassers enthalten. Der Magistrat beschloß deshalb, 
an beiden Stellen solche Tiefbrunnen in genügender Anzahl herzustellen 
und das Wasser fortan nur aus solchen Brunnen zu entnehmen. Am 
Tegeler See wurden 72, am Müggelsee 350 Tiefbrunnen angelegt. Bei 
letztertem wird neben den Brunnen ein kleiner Teil der alten Seewasser— 
Schöpfanlage noch weiter benutzt, um sie für den Eintritt von Notfällen 
in Stand zu halten. Damit das Wasser mit gleichmäßigem Druck bis in 
die obersten Stockwerke der Häuser steigen kann, wird es in vier hochgelegene 
Wasserbecken gepumpt, die auf den die Stadt umkränzenden Höhen angelegt 
sind. Zwei dieser Wassertürme, der nördliche in der Belforterstraße, nahe 
der Prenzlauer Allee und der südliche auf dem Tempelhofer Berge liegen 
noch auf Berliner Gebiet, der westliche bei Westend, der östliche in Lichten— 
berg, nicht weit vom Viehhof. 
Die Tiefbrunnen liefern jetzt gutes Wasser in so reichlicher Menge, 
daß es auf lange Zeit genügen könnte. Denn mehr als 28/, Millionen 
Einwohner würde das Weichbild von Berlin bei der hier üblichen Art 
der Bebauung kaum fassen können, auch wenn es vollständig in allen seinen 
Teilen bebaut wird. Indessen zeigt die Erfahrung, daß der Wasserverbrauch 
meist rascher steigt als die Bevölkerung, weil das Bedürfnis nach Rein— 
lichkeit mit dem Wohlstand und der besseren Bildung zunimmt. Für öffent— 
liche Zwecke wird etwa der neunte Teil des durch die Wasserleitung be— 
schafften Wassers verwendet, alles übrige wird zu gewerblichen Zwecken 
und in den Haushaltungen verbraucht. Der gesamte Verbrauch betrug 
1901 im täglichen Durchschnitt 79 Liter, 1906 aber 84 Liter auf den 
Kopf der Bevölkerung, er ist natürlich je nach der Jahreszeit verschieden; 
im Jahre 1906 schwankte er zwischen 55 und 134 Litern auf Kopf und 
Tag. In den letzten Jahren ist er etwas zurückgegangen, zum Teil durch 
die Temperatur-Verhältnisse der letzten Sommer, zum Teil durch die Ver— 
minderung der gewerblichen Tätigkeit. Außerdem haben einige Fabriken 
und Eisenbahnen eigene Wasserwerke eingerichtet, um das Grundwasser für 
ihre Maschinen zu verwenden. Da in Zukunft der Fall eintreten könnte, 
daß der Wasserzufluß im Gebiete der beiden Seen nicht mehr aus— 
reichte, hat die städtische Verwaltung an verschiedenen Stellen der weiteren 
Umgebung Untersuchungen anstellen lassen, alsdann ein großes Gelände 
23*
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.