Wasserwerke.
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auf dem Seeboden verlegten Kanals. Dies Seewasser erforderte indessen
eine sehr lange und gründliche Filtrierung, um die schwebenden Stoffe und
Bakterien zurückzuhalten, während bei gutem Brunnenwasser den Filtern
nur die Aufgabe zufällt, das etwa im Wasser vorhandene Eisen auf⸗
zusaugen. Angestellte Versuche ergaben, daß nahe beim Tegeler wie beim
Müggelsee in durchschnittlicher Tiefe von 50 Metern der grobe Sand und
die Kieslager über der Tonschicht einen starken, sich fortdauernd erneuernden
Strom vorzüglichen Wassers enthalten. Der Magistrat beschloß deshalb,
an beiden Stellen solche Tiefbrunnen in genügender Anzahl herzustellen
und das Wasser fortan nur aus solchen Brunnen zu entnehmen. Am
Tegeler See wurden 72, am Müggelsee 350 Tiefbrunnen angelegt. Bei
letztertem wird neben den Brunnen ein kleiner Teil der alten Seewasser—
Schöpfanlage noch weiter benutzt, um sie für den Eintritt von Notfällen
in Stand zu halten. Damit das Wasser mit gleichmäßigem Druck bis in
die obersten Stockwerke der Häuser steigen kann, wird es in vier hochgelegene
Wasserbecken gepumpt, die auf den die Stadt umkränzenden Höhen angelegt
sind. Zwei dieser Wassertürme, der nördliche in der Belforterstraße, nahe
der Prenzlauer Allee und der südliche auf dem Tempelhofer Berge liegen
noch auf Berliner Gebiet, der westliche bei Westend, der östliche in Lichten—
berg, nicht weit vom Viehhof.
Die Tiefbrunnen liefern jetzt gutes Wasser in so reichlicher Menge,
daß es auf lange Zeit genügen könnte. Denn mehr als 28/, Millionen
Einwohner würde das Weichbild von Berlin bei der hier üblichen Art
der Bebauung kaum fassen können, auch wenn es vollständig in allen seinen
Teilen bebaut wird. Indessen zeigt die Erfahrung, daß der Wasserverbrauch
meist rascher steigt als die Bevölkerung, weil das Bedürfnis nach Rein—
lichkeit mit dem Wohlstand und der besseren Bildung zunimmt. Für öffent—
liche Zwecke wird etwa der neunte Teil des durch die Wasserleitung be—
schafften Wassers verwendet, alles übrige wird zu gewerblichen Zwecken
und in den Haushaltungen verbraucht. Der gesamte Verbrauch betrug
1901 im täglichen Durchschnitt 79 Liter, 1906 aber 84 Liter auf den
Kopf der Bevölkerung, er ist natürlich je nach der Jahreszeit verschieden;
im Jahre 1906 schwankte er zwischen 55 und 134 Litern auf Kopf und
Tag. In den letzten Jahren ist er etwas zurückgegangen, zum Teil durch
die Temperatur-Verhältnisse der letzten Sommer, zum Teil durch die Ver—
minderung der gewerblichen Tätigkeit. Außerdem haben einige Fabriken
und Eisenbahnen eigene Wasserwerke eingerichtet, um das Grundwasser für
ihre Maschinen zu verwenden. Da in Zukunft der Fall eintreten könnte,
daß der Wasserzufluß im Gebiete der beiden Seen nicht mehr aus—
reichte, hat die städtische Verwaltung an verschiedenen Stellen der weiteren
Umgebung Untersuchungen anstellen lassen, alsdann ein großes Gelände
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