Letzte Jahre Kaiser Wilhelms J.
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Fast noch größer als bei der goldenen Hochzeit war die öffentliche
Teilnahme, namentlich des Auslandes bei der Feier des neunzigsten Ge—
burtstages am 22. März 1887. Allmählich erlahmten dann die Kräfte.
Trotzdem war der Kaiser fast bis zum Augenblick des Todes bemüht, die
Pflichten seines Amtes zu erfüllen, noch in den letzten Tagen hat er auf
die Bitte, sich mehr zu schonen, die Antwort gegeben, daß er keine Zeit
habe, müde zu sein. Selten nur ist es einem Menschen gegeben, sich so
voll auszuleben, noch seltener geschieht es, daß erst das Alter die volle
Anerkennung, die großen Erfolge bringt. Sie haben ihn nicht stolz ge⸗
macht, sondern seine Bescheidenheit und seine schönen menschlichen Eigen—
schaften nur um so klarer hervortreten lassen.
Nach dem am 9. März 1888 erfolgten Tode wurde der Dom, in
dem die Leiche aufgebahrt war, von vielen, vielen Tausenden aufgesucht.
Am 16. März bei ungewöhnlich starker Kälte ging der Begräbniszug zwischen
dem von der Studentenschaft, von Schulen, Vereinen, Gewerken, Turnern
gebildeten Spalier zum Mausoleum in Charlottenburg, wo der Kaiser seinem
Wunsche gemäß neben seinen Eltern bestattet wurde. Architektonische und
bildnerische Kunst hatten in feinsinniger Weise der allgemeinen Trauer
den angemessensten Ausdruck gegeben. Das tiefe Schwarz der Kandelaber,
Baldachine, Pyramiden, Obelisken war gemildert durch Fahnen, Palmen,
Girlanden, durch das Licht der florumhüllten Laternen und durch von
hohen Postamenten in die Höhe lodernde Pechflammen. Die Akademie
zierte ein schönes Relief von Eberlein: Deutschland huldigt dem Kaiser. Am
Brandenburger Tor waren Säulen, Giebel, Sims, die zur Attika hinauf—
führenden Stufen schwarz umhüllt, so daß nur der bildnerische Schmuck
frei blieb, am Giebel leuchteten die Worte: Vale senex imperator!
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