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Siebentes Kapitel. Revolution und Reaktion. 1846-1858

Full text: Berlin in Geschichte und Gegenwart / Goldschmidt, Paul (Public Domain)

Wirtschaftlicher Rückgang. Belagerungszustand. 
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besitzer desto schlimmer, da viele Wohnungen leer standen, 1848: 4400 
gegen 1600 im Jahre 1846. Hypothekengelder waren kaum zu erhalten, 
freihändiger Verkauf nicht leicht zu ermöglichen, so daß viele Häuser unter 
den Hammer kamen. Gebaut wurde beinahe gar nicht, wer hätte unter 
—DDD 
Der Belagerungszustand wurde im ganzen milde und rücksichtsvoll 
gehandhabt, soweit es sich nicht um politische Betätigung handelte, solche 
aber wollte die Polizei nicht gestatten. Die Presse mußte sich aufs neue 
eine strenge Zensur gefallen lassen, zahlreiche Schriften wurden mit Be— 
schlag belegt, einzelne Druckereien geschlossen. Der Fremdenbesuch unter— 
lag sorgfältiger Aufsicht, Ausweisungen erfolgten in großer Zahl, alle 
demokratischen Abgeordneten, die nicht ihren festen Wohnsitz in Berlin 
hatten, mußten die Stadt verlassen. Das Schloß war stark besetzt, die 
Gittertore, welche früher stets offen gestanden und jedermann freien Durch— 
gang gewährt hatten, blieben dauernd geschlossen. 
Im ganzen war die Regierung bemüht, sich die ihr günstiger ge— 
wordene Stimmung zu erhalten und namentlich die Unterstützung des Mittel— 
standes zu gewinnen. Aus den Kreisen der Handwerker war mehrfach 
in Berlin wie in vielen anderen Städten Beschränkung der Gewerbefreiheit 
verlangt worden, die Regierung beeilte sich, diese Forderung zu befriedigen. 
Noch kurz vor dem Ausgang des unruhigen Jahres, am 18. Dezember 
1848 empfing der König eine Deputation von Handwerkern und nahm 
freundlich ihre Bitte entgegen, die seiner eigenen Gedankenrichtung und 
seinen auf ständische Gliederung gerichteten Wünschen so gut entsprach. Zu— 
gleich benutzte er diese Gelegenheit, auf die Bedeutung der bevorstehenden 
Wahlen hinzuweisen. Er ermahnte die Handwerker dafür zu sorgen: „daß 
Leute in die Kammer kommen, die das Wohl des Handwerkerstandes ernst— 
lich wollen“. Unmittelbar darauf wurde für den Januar ein Handwerker— 
Kongreß nach Berlin berufen und dann in aller Eile ein neues Gewerbe— 
gesetz ausgearbeitet. Die Regierung nahm sich nicht einmal die Zeit, den 
Zusammentritt der neuen Volksvertretung abzuwarten, sondern oktroyierte 
auch dies Gesetz am 9. Februar 1849 unter dem Vorbehalt seiner nach— 
träglichen Genehmigung. Die selbständige Ausübung eines Handwerks— 
betriebs sollte wieder nur den Mitgliedern der Innungen und den von ihnen 
geprüften Meistern gestattet sein, auch die Verhältnisse der Gesellen und 
der Lehrlinge wurden neu geregelt. 
Am 22. und 29. Januar fanden die Wahlen der Wahlmänner statt, 
welche die Mitglieder der aus zwei Kammern bestehenden neuen Volks— 
vertretung zu wählen hatten. In beiden Kammern überwog die gemäßigte 
Partei. Trotzdem ist die Regierung bald in heftigen Zwist mit ihnen ge— 
raten über die Handhabung des Belagerungszustandes, die willkürlichen
	        
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