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Briefe der Henriette Herz.
I. In Prenzlau.
Einen eigenartigen Kreis lernen wir aus den Briefen nach Prenzlau
kennen. Dort scheint das Haus, in dem Henriettes Schwester
Johanna („Hanne') regierte, eine aͤhnliche Rolle gespielt zu haben
wie das von Marcus und Henriette Herz in Berlin. Wenigstens treffen
wir bei dem Arzte Simon Herz in Prenzlau, der sich auch als
medizinischer Schriftsteller einen Namen gemacht hat, genau wie bei
seinem Berliner Verwandten nicht nur Personen aller Konfessionen,
sondern auch aller Staͤnde friedlich beisammen. Aber der Verkehr scheint
nicht lediglich auf den Gedankenaustausch gestimmt gewesen, sondern
oft durch die Liebe gestoͤrt worden zu sein. Denn die Hausfrau besaß
nicht den leidenschaftslosen Sinn ihrer beruͤhmten Schwester, ließ sich
daher, in ihrer Ehe unbefriedigt, die Huldigungen anderer gern ge—
fallen. Gerade Ehrenfried von Willich, damals Kandidat der
Theologie und Erzieher des jungen Grafen Wilhelm Schwerin, hatte
ihren Reizen nicht zu widerstehen vermocht, und mußte die ganze Kraft
seines vornehmen Charakters anwenden, um die aussichtslose Neigung
pflichtgemaͤß nieder zu kaͤmpfen.
Auch sein Freund, der Prediger Wolff, gehoͤrte zum engeren Kreise
und fand im Hause Herz seine spaͤtere Gattin Ena-Julie, deren
sonderbare Vergangenheit auf den folgenden Seiten wiederholt gestreift,
aber leider nicht aufgeklaͤrt wird.
Die an Ehrenfried gerichteten Briefe beginnen gerade, als er der
Liebelei mit Frau Johanna brieflich ein Ende gemacht hatte und sie sich
dem jugendlichen Hauslehrer Braun zuzuwenden scheint.
An den Herrn von Willich, Hochwohlgeboren
in Prenzlau.
Berlin, den 22. 8ber 1801.
Die Adresse war nicht von meiner Hand, mein theuerer
Freund, aber bittere Vorwürfe habe ich mir gemacht, daß
Schleier macher und seine CLieben.