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Erster Teil. 1872-1873 Drittes Kapitel. Allgemeine Stimmung in Deutschland

Full text: Meine Botschafterzeit am Berliner Hofe 1872-1877 / Gontaut-Biron, Élie de (Public Domain)

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Drittes Kapitel. 
Allgemeine Stimmung in Deutschland. 
Die Kriegsentschädigung und die Okkupation. — Beunruhigung in Deutschland 
aus Anlaß der Reorganisation der französischen Armee. — Unterredung des Herrn 
bon Gontaut mit Herrn von Bleichröder. — Wiederholte Versicherungen der fran— 
zösischen Regierung in betreff ihrer friedlichen Absichten. — Die politische und die 
Militär⸗Partei in Berlin. — Unterredung mit dem österreichischen Botschafter. — 
Die plötzliche Abdankung Thiers. — Unterredung mit dem Feldmarschall Moltke. 
Zur selben Zeit, während der ich mit den Verhandlungen be— 
treffend die Freilassung unserer Gefangenen beschäftigt war, und 
noch lange nach deren Erledigung, bildete eine andere Frage den 
Gegenstand unserer besonderen Sorge. 
Von allen Taten, die der Regierungsperiode des Herrn 
Thiers ihre Bedeutung gaben, ist die Bezahlung der enormen, 
Frankreich von dem Sieger auferlegten Kriegskostenentschädigung 
eine derjenigen, die den tiefgehendsten und berechtigtsten Eindruck 
gemacht hat. Als Sicherheit für die Bezahlung hatte Deutschland 
sich das Recht vorbehalten, einen Teil unseres Landes besetzt zu 
halten und frühestens am 1. März 1874 zu räumen nach völliger 
Bezahlung von fünf Milliarden und der aus den Zinfen dieses 
Kapitals und der Bestreitung des Unterhaltes der Okkupations⸗ 
armee erwachsenden bedeutenden Kosten. Die möglichst beschleu— 
nigte Befreiung von diesen drückenden Verpflichtungen stand un⸗ 
ter den eifrigen Bestrebungen der Nationalversammlung und 
Thiers an erster Stelle. Der schwierigste und heikelste Teil dieser 
mühsamen Aufgabe fiel, kraft seiner Exekutivgewalt, naturgemäß 
dem Präsidenten zu. 
Er widmete sich derselben mit großem Mut, und erfüllte den 
größten Teil, d. h. alles was in seiner Macht stand, mit einem 
Eifer, einem Verständnis, und mit dem Gewicht seiner Autorität, 
die er ebenso aus seinen hervorragenden Verstandeseigenschaften 
und seinem Patriotismus, als aus der unentbehrlichen und hoch—⸗ 
herzigen Mitwirkung der Nationalversammlung und der Er— 
mutigung von seiten des ganzen Landes schöpfte. Mit Hilfe einer 
Reihe geschickter und kühner Operationen gelang es ihm, nicht
	        
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