Path:
Erster Teil. 1872-1873 Zweites Kapitel. Die Auslieferung der Kriegsgefangenen

Full text: Meine Botschafterzeit am Berliner Hofe 1872-1877 / Gontaut-Biron, Élie de (Public Domain)

Letzter Amnestieerlaß. 
51 
verboten werden solle usp.... Als vornehmer Mann geriet 
Herr von Thile bei diesen Auseinandersetzungen immer in eine 
gewisse Verlegenheit, denn er hatte keine stichhaltigen Gründe 
dagegen vorzubringen. Schließlich waren Herr Thiers und Herr 
von Remusat mit mir der Ansicht, zur Zeit alle weiteren Schritte 
für die Amnestie ruhen zu lassen. 
Mehr als drei Monate vergingen, ehe man in Berlin wieder 
mit mir darauf zu sprechen kam. Ich wollte eben auf einige 
Tage zur Erholung nach Schlangenbad abreisen, als am 7. Juli 
Herr Delbrück mich wissen ließ, daß er im Begriff sei, dem Kaiser 
einige Begnadigungsvorschläge zugunsten der letzten französischen 
Gefangenen zur Unterschrift vorzulegen, ich möchte aber noch 
bis 5 Tage strengstes Stillschweigen beobachten. Ich hielt mein 
Versprechen so gewissenhaft, daß ich selbst mein Ministerium erst 
nach Ablauf dieser Frist in Kenntnis setzte. Allein, getreu ihrem 
System der Ausflüchte, des Verschweigens und der absichtlich un⸗— 
klaren Verhandlungen, kam die deutsche Regierung nicht zu einem 
endgültigen Entschlusse. Herr von Remusat frug, in der Unge— 
wißheit, noch keine bestimmte Bestätigung meiner ersten Mittei— 
lung zu haben, am 19. bei mir an, wie die Angelegenheit stünde. 
Ich erwiderte ihm sofort, daß ich die Begnadigungen für ganz 
sicher hielte, ohne genau den Tag der Unterschrift des Kaisers an— 
zeben zu können und daß ich aus sicherer Quelle bereits die Be— 
stätigung der Begnadigung der Herren Tharel und Dehüt erhalten 
hätte. Am folgenden Tag brachte die „Kreuzzeitung“ die Mittei— 
lung, der deutsche Botschafter in Paris habe den Präsidenten der 
Republik benachrichtigt, daß der Kaiser aus Anlaß der Unter— 
zeichnung der Konvention vom 29. Junir*) die letzten in Deutsch— 
land zurückgehaltenen Gefangenen begnadigt habe, die Nachricht 
sei zwar noch verfrüht, werde aber in allernächster Zeit bestätigt 
werden. In Magdeburg hatten bereits drei Gefangene ihre Frei— 
heit erhalten, eine offizielle Bekanntmachung war aber unter⸗ 
blieben, ebenso bei 28 Gefangenen in Werden und einem Haupt— 
mann des Generalstabs. Endlich, wenige Tage nachher, unter— 
zeichnete der Kaiser den Amnestieerlaß; aber noch war er nicht 
*) Konvention betreffend die Bezahlung der Kriegskostenentschädigung, wovon 
später die Rede sein soll. (G. B.)
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.