Neuer russischer Vorschlag.
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mir auch die Bedenken des Herzog Decazes mitgeteilt. Ich suchte
deshalb einen Boden, auf dem eine Einigung möglich sein kann,
und habe in diesem Sinn dem Kaiser einen Vorschlag unterbreitet,
den er genehmigt hat, und den ich den vier Mächten mitgeteilt
habe. Ich bitte Sie, Ihrer Regierung zu telegraphieren, auf
deren volle Zustimmung ich jetzt hoffe.“
„Ich hörte später aus dem Munde des Fürsten Gortschakow
Beweisgründe, die ich hier seit meiner Ankunft vorgetragen hatte,
die aber bisher keinen besonderen Eindruck gemacht zu haben
schienen, wie z. B.: „Wenn der Sultan sich freiwillig und ehrlich
zu Reformen entschließt, desto besser! Das ist mehr wert, als
wenn sie ihm durch Europa aufgezwungen werden. Die Refor—
men sind uns die Hauptsache, und nicht die Art, wie sie erreicht
werden. Das heißt zugeben, daß man ebenso gut ganz darauf ver—
zichten könne ...“
In dem Telegramm über sein neues Projekt, schlug Rußland
vor, der Türkei zu erklären, daß die fünf Mächte, entschlossen, ihr
auf die Wiederherstellung der Ruhe in den aufständigen Provin—
zen gerichtetes Einvernehmen voll aufrechtzuerhalten, sich damit
einverstanden erklären, ein gemeinschaftliches Vorgehen zu ver—
schieben, bis die Pforte den Beweis geliefert, daß sie die wichtigen
Reformen zur Ausführung bringt, die sie vor kurzem aus freien
Stücken einführen zu wollen, sich bereit erklärt hat.“
Der Herzog Decazes antwortete dem Botschafter sofort, daß
er mit dem in dem Entwurf des Fürsten Gortschakow enthaltenen
Gedanken einverstanden sei, doch zeigte der weitere Inhalt seiner
Antwort, daß seine Zustimmung zu dem neuen Entwurf keine un—
bedingte und uneingeschränkte war. Er blieb darauf bestehen,
daß die Fassung der Note die Bemühungen auf eine Einigung
sämtlicher Mächte unterstützen müsse. „Sie wissen,“ fügte er
hinzu, „daß dies stets das Ziel unserer Anstrengungen gewesen
ist.“ Das war ein Wink, vor einer bestimmten Entscheidung die
Unterhandlungen mit England fortzusetzen.
Diese Richtungslinie erläuterte ein persönlicher Brief vom 6.
an Herrn von Gontaut noch näher.
„... Unsere Telegramme haben Ihnen alles gesagt; ich
möchte Ihnen aber meine Gedanken und meine Bedenken noch