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Zweiter Teil. 1874-1877 Fünftes Kapitel. Abkühlung in den französisch-russischen Beziehungen

Full text: Meine Botschafterzeit am Berliner Hofe 1872-1877 / Gontaut-Biron, Élie de (Public Domain)

Neuer russischer Vorschlag. 
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mir auch die Bedenken des Herzog Decazes mitgeteilt. Ich suchte 
deshalb einen Boden, auf dem eine Einigung möglich sein kann, 
und habe in diesem Sinn dem Kaiser einen Vorschlag unterbreitet, 
den er genehmigt hat, und den ich den vier Mächten mitgeteilt 
habe. Ich bitte Sie, Ihrer Regierung zu telegraphieren, auf 
deren volle Zustimmung ich jetzt hoffe.“ 
„Ich hörte später aus dem Munde des Fürsten Gortschakow 
Beweisgründe, die ich hier seit meiner Ankunft vorgetragen hatte, 
die aber bisher keinen besonderen Eindruck gemacht zu haben 
schienen, wie z. B.: „Wenn der Sultan sich freiwillig und ehrlich 
zu Reformen entschließt, desto besser! Das ist mehr wert, als 
wenn sie ihm durch Europa aufgezwungen werden. Die Refor— 
men sind uns die Hauptsache, und nicht die Art, wie sie erreicht 
werden. Das heißt zugeben, daß man ebenso gut ganz darauf ver— 
zichten könne ...“ 
In dem Telegramm über sein neues Projekt, schlug Rußland 
vor, der Türkei zu erklären, daß die fünf Mächte, entschlossen, ihr 
auf die Wiederherstellung der Ruhe in den aufständigen Provin— 
zen gerichtetes Einvernehmen voll aufrechtzuerhalten, sich damit 
einverstanden erklären, ein gemeinschaftliches Vorgehen zu ver— 
schieben, bis die Pforte den Beweis geliefert, daß sie die wichtigen 
Reformen zur Ausführung bringt, die sie vor kurzem aus freien 
Stücken einführen zu wollen, sich bereit erklärt hat.“ 
Der Herzog Decazes antwortete dem Botschafter sofort, daß 
er mit dem in dem Entwurf des Fürsten Gortschakow enthaltenen 
Gedanken einverstanden sei, doch zeigte der weitere Inhalt seiner 
Antwort, daß seine Zustimmung zu dem neuen Entwurf keine un— 
bedingte und uneingeschränkte war. Er blieb darauf bestehen, 
daß die Fassung der Note die Bemühungen auf eine Einigung 
sämtlicher Mächte unterstützen müsse. „Sie wissen,“ fügte er 
hinzu, „daß dies stets das Ziel unserer Anstrengungen gewesen 
ist.“ Das war ein Wink, vor einer bestimmten Entscheidung die 
Unterhandlungen mit England fortzusetzen. 
Diese Richtungslinie erläuterte ein persönlicher Brief vom 6. 
an Herrn von Gontaut noch näher. 
„... Unsere Telegramme haben Ihnen alles gesagt; ich 
möchte Ihnen aber meine Gedanken und meine Bedenken noch
	        
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