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Abkühlung in den französisch-russischen Beziehungen.
wir drei, der Graf von Paris, der Fürst und ich dreiviertel
Stunden spazieren.
Als der Kanzler mit mir von Politik und den Tagesereig-
nissen zu sprechen anfing, sagte der Graf von Paris: „Meine
Herren, ich geniere Sie vielleicht und werde Sie allein lassen.“ —
„Durchaus nicht, Monseigneur,“ bemerkte Fürst Gortschakow,
„bleiben Sie ruhig hier. Wir sprechen von Frankreich, das geht
Sie also auch an.“
Wir sprachen dann von dem Sturz des früheren Sultan, und
der für ihn beabsichtigten Note, von den möglichen Folgen des
Thronwechsels auf die Haltung der Mächte usw. Der Fürst äußer⸗
te, er werde mir heute abend Gelegenheit geben, an den Herzog
Decazes zu telegraphieren, ich könne ihm mitteilen, daß der Kaiser
entschlossen sei, mit ihm übereinstimmend vorzugehen, und daß
General Jgnatiew heute die Weisung erhalten habe, die Übergabe
der Note zu verschieben. Dabei stellte er diese Entschließung als
eine Konzession von seiner Seite dar, von der er nicht wisse, ob sie
richtig sei, und äußerte sich besorgt über die kommenden Ereig—
nisse.
„England tadelte er lebhaft wegen seiner Haltung, warf ihm
Hintergedanken, oder richtiger Mißtrauen in Beziehung auf Ruß—
land vor, und bemerkte zu dem Grafen von Paris, was ihn per—
sönlich betreffe, so beklage er nicht, daß seine Archive seit zwanzig
Jahren der Offentlichkeit zugänglich seien, denn er habe nichts ge—
schrieben und nichts getan, das er nicht ganz offen gestehen könne.
Später sagte er mir, ich werde voraussichtlich den Kaiser morgen
sprechen können, und ihn durch das Verhalten der englischen Re—
gierung sehr verstimmt finden. „Sie hat zweifellos,“ fügte er
hinzu, „Musurus*) in London Kenntnis von der Note gegeben,
und ihm bei seinen Gegengründen nachgeholfen, denn in der Ant⸗
wort der Türkei war genau wiederzuerkennen, was Lord Derby
dem Grafen Schuwalow gesagt hatte.“
Zu gleicher Zeit zeigten sich bei dem Fürsten Gortschakow die
ersten Merkmale einer Mißstimmung. Er beklagte sich gegen
Herrn von Gontaut über die veränderte Haltung Frankreichs,
*6)
Der türkische Botschafter in London.