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Die Befreiung des Landesgebietes.
ge Worte über die voraussichtlichen Wahlen. Nach seiner Ansicht
würden die Radikalen von 50 in der gegenwärtigen, auf 100 Sitze
in der künftigen Kammer kommen, und die Rechte, statt 200 nur
noch 50 Stimmen erhalten. Die Mehrheit würde sich aus den
Mitgliedern der beiden Zentrumsparteien zusammensetzen. Mei—
ne Frage, ob er etwa durch den Wechsel zu gewinnen hoffe, be—
jahte Herr Thiers, und er ist nicht der Mann platonischer An—
schauungen.
Was mich, im übrigen, überraschte und zugleich bedrückte,
das war die Mutlosigkeit bei den Mitgliedern der Mittelparteien
über die Zusammensetzung der künftigen Kammer, aus der sie gar
kein Hehl vor mir machten. Ich begegnete in den ersten Tagen
kaum einem einzigen Abgeordneten, der mir nicht eine ähnliche
Auffassung geäußert hätte, wobei, allerdings, jeder den anderen
Parteien die Verantwortung für die zu erwartenden Verwickelun—⸗
gen zuschob. Ich suchte überall zu beschwichtigen und zur Eintracht
zu mahnen, in der bestimmten Überzeugung, mit der ich nicht zu—
rückhielt, daß diese Zwistigkeiten und Zänkereien in der National—
versammlung uns im Ausland nur ernste Verlegenheiten bereiten
könnten. Es war das nicht das erste Mal, daß ich diese Meinung
vertrat.
Ich erinnere mich noch einer langen Unterhaltung, in der
Abendgesellschaft bei Herrn Thiers mit den Herrn von Chabaud⸗
Latour und Bocher über die Fusion zwischen den Prinzen. Von
dieser Seite waren im Laufe des Jahres günstige Symptome zu
erwarten.
Vor meiner Rückkehr nach Berlin hatte ich noch mehrere Be—
sprechungen mit Herrn Thiers. Am Tage, an dem ich mich von
ihm verabschiedete, hatten wir noch ein lebhaftes Gespräch über
sein Verhalten, und obwohl ich darüber keine Notizen mehr finde,
erinnere ich mich genau, ihm beim Weggehen noch gesagt zu haben:
„Sie wollen also Ihren Platz nicht in der Mitte der Konservativen
wählen?“ „Nein,“ antwortete er kurz und bündig. „Nun, so neh—
men Sie sich in acht, daß dies nicht Ihr Sturz sein möge.“
Ich sollte ihn nicht wiedersehen, und hatte nicht gedacht, ein so
guter Prophet zu sein. In der Tat, wenige Tage nachher, unter—
lag die Kandidatur des Herrn von Remusat in Paris gegen die—