Path:
Erster Teil. 1872-1873 Drittes Kapitel. Allgemeine Stimmung in Deutschland

Full text: Meine Botschafterzeit am Berliner Hofe 1872-1877 / Gontaut-Biron, Élie de (Public Domain)

72 
Allgemeine Stimmung in Deutschland. 
fen? Wir haben jetzt alles was wir brauchen, fühlen also in keiner 
Weise weder das Vedürfnis, noch das Verlangen, Sie anzugrei— 
fen.“ — „Um so besser! und nun beachten Sie, wie wenig beun— 
ruhigend alle unsere Zahlen sind. 
„Wir haben einen Friedensstand von ungefähr 400000 Mann; 
davon gehen ab die Nichtkombattanten, und die große Zahl der 
noch an den Folgen des Krieges in der Genesung befindlichen 
Mannschaften. Wir haben die Jahresklassen 18656 und 1870 ent— 
lassen und die von 1871 noch nicht einberufen. Wenn wir ge— 
nötigt wären, uns auf Kriegsstärke zu setzen, so könnten wir im 
ganzen auf 700 000 Mann kommen. Bei Ihnen beträgt die 
—DDDD 
Unser jetziges Budget ist allerdings höher, als die früheren, aber 
der Grund davon ist sehr einfach: die Mehrzahl unserer Geschütze 
und eine große Zahl unserer Gewehre sind in Ihre Hände gefallen, 
desgleichen Straßburg, Metz und andere feste Plätze. Wir sind 
also dringend genötigt, unser Material zu ergänzen und Festungen 
zu bauen. Im übrigen muß man von dem Mehr des Kriegsbud— 
gets von 95 Millionen 25 Millionen abziehen für Unterhaltung 
der Gendarmerie und der für die Sicherung von Paris bestimm⸗ 
ten Kräfte.“ 
„Das ist richtig,“ gab der Feldmarschall zu; „immerhin haben 
Sie noch wichtige und sehr brauchbare Festungen zur Sicherung 
Ihrer Grenzen, wie Verdun, Langres, Belfort, und sind damit be— 
schäftigt, größere Bauten in der Gegend von Rouen auszuführen.“ 
— „Gewiß, weil durch unsere territorialen Verluste Paris der 
Grenze zu nahe gerückt ist und daher seine Verteidigung durch die 
bei Rouen geplanten Werke gesichert werden muß. 
„Aber seien Sie bestimmt versichert, daß wir keinerlei kriege— 
rische Hintergedanken haben. Unsere Reorganisation ist weit ent⸗ 
fernt von aggressiver Tendenz. Wir wollen den Frieden, die Na⸗ 
tionalversammlung zweifellos ebenso, wie Herr Thiers; er ist in 
jeder Hinsicht eine Notwendigkeit für uns. Was in 20 oder auch 
in 15 Jahren passieren wird, weiß ich nicht und kann niemand 
wissen.“ — „Es wäre Torheit, anders zu sprechen,“ unterbrach mich 
der Feldmarschall, „und niemand kann auf so lange Zeit eine Ga— 
rantie übernehmen.“ „Sie werden sich sicher nicht wundern, wenn
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.