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Allgemeine Stimmung in Deutschland.
fen? Wir haben jetzt alles was wir brauchen, fühlen also in keiner
Weise weder das Vedürfnis, noch das Verlangen, Sie anzugrei—
fen.“ — „Um so besser! und nun beachten Sie, wie wenig beun—
ruhigend alle unsere Zahlen sind.
„Wir haben einen Friedensstand von ungefähr 400000 Mann;
davon gehen ab die Nichtkombattanten, und die große Zahl der
noch an den Folgen des Krieges in der Genesung befindlichen
Mannschaften. Wir haben die Jahresklassen 18656 und 1870 ent—
lassen und die von 1871 noch nicht einberufen. Wenn wir ge—
nötigt wären, uns auf Kriegsstärke zu setzen, so könnten wir im
ganzen auf 700 000 Mann kommen. Bei Ihnen beträgt die
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Unser jetziges Budget ist allerdings höher, als die früheren, aber
der Grund davon ist sehr einfach: die Mehrzahl unserer Geschütze
und eine große Zahl unserer Gewehre sind in Ihre Hände gefallen,
desgleichen Straßburg, Metz und andere feste Plätze. Wir sind
also dringend genötigt, unser Material zu ergänzen und Festungen
zu bauen. Im übrigen muß man von dem Mehr des Kriegsbud—
gets von 95 Millionen 25 Millionen abziehen für Unterhaltung
der Gendarmerie und der für die Sicherung von Paris bestimm⸗
ten Kräfte.“
„Das ist richtig,“ gab der Feldmarschall zu; „immerhin haben
Sie noch wichtige und sehr brauchbare Festungen zur Sicherung
Ihrer Grenzen, wie Verdun, Langres, Belfort, und sind damit be—
schäftigt, größere Bauten in der Gegend von Rouen auszuführen.“
— „Gewiß, weil durch unsere territorialen Verluste Paris der
Grenze zu nahe gerückt ist und daher seine Verteidigung durch die
bei Rouen geplanten Werke gesichert werden muß.
„Aber seien Sie bestimmt versichert, daß wir keinerlei kriege—
rische Hintergedanken haben. Unsere Reorganisation ist weit ent⸗
fernt von aggressiver Tendenz. Wir wollen den Frieden, die Na⸗
tionalversammlung zweifellos ebenso, wie Herr Thiers; er ist in
jeder Hinsicht eine Notwendigkeit für uns. Was in 20 oder auch
in 15 Jahren passieren wird, weiß ich nicht und kann niemand
wissen.“ — „Es wäre Torheit, anders zu sprechen,“ unterbrach mich
der Feldmarschall, „und niemand kann auf so lange Zeit eine Ga—
rantie übernehmen.“ „Sie werden sich sicher nicht wundern, wenn