242 Das Wintermärchen bei Max Reinhardt.
Darstellung fast aller Hauptrollen unzureichend. Es war das
rechte „Wintermärchen“ nicht, wie oben gesagt wurde; und
das rechte „Wintermärchen“ war es namentlich deshalb nicht,
weil Agnes Sorma nicht die rechte Hermione war.
Eine englische Schriftstellerin hat von der Hermione ge—
sagt, sie vereine in sich so seltene Eigenschaften, wie Würde
ohne Stolz, Liebe ohne Leidenschaft, Zärtlichkeit ohne Schwäche.
Das Wesentliche fehlt noch in dieser Charakteristik: die Güte.
Shakespeare hat hier ein Idealbild weiblicher Güte geschaffen.
Während Hermione vor Gericht die Beschuldigungen abwehrt,
mit denen ihr Gatte Leontes ihre Reinheit schändet, regt
sich zugleich in ihr das Mitleid mit der Reue, von der Leontes
gequält werden wird, wenn er ihre Unschuld wird erkannt
haben. Und zum Schluß, als der Mann wieder vor ihr
erscheint, der ihr ganzes Leben vernichtet hat, verzeiht sie
ihm ohne ein Wort des Vorwurfs. Das ist die Güte in
ihrer höchsten Vollendung. Eine glücklichere Welt hat der
Dichter in seinem Märchen sich erträumt; und auch das hat
vielleicht seinen tiefen Sinn, daß man im Mittelpunkt dieser
glücklicheren Welt die Güte findet, die sanfte Güte einer Frau.
Alle diese Eigenschaften der Hermione nun, die Würde,
die Liebe ohne Leidenschaft, die Güte, sind nicht eben dra—
matisch. Sie spielt auch in dem Stück eine mehr passive als
aktive Rolle. Die Darstellerin der Hermione hat daher nicht
durch bewegtes Spiel zu wirken, sondern hat die Vorgänge
in einem Frauenherzen zu veranschaulichen, das Bild einer
schönen Seele zu geben. Seelenvoll muß die Hermione gespielt
werden, und Frau Agnes Sorma spielte sie recht seelenlos.
Diese Künstlerin hat den Gipfel des Ruhmes erreicht zu—
gleich mit den modernen dramatischen Autoren, in deren Stücken
sie Jugend und Anmut verkörperte. Der reizende Augen—
aufschlag, das liebliche Lächeln, die Wangengrübchen ihres