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Traumulus.
nicht. Das genügt, nach Ansicht der Autoren, um ihn als
Idealisten zu charakterisieren. Und da er zugrunde geht,
weil er die Menschen nicht kennt, so ist sein Zusammenbruch
die Tragödie des Idealismus. Es soll gewiß nicht bestritten
werden, daß der Professor Niemeyer die Menschen nicht kennt.
Aber man darf ihn doch nicht deswegen einen Idealisten
nennen. Wer schlechte Menschen für gut hält, beweist dadurch
nicht seinen Idealismus oder vielmehr seinen Optimismus
(denn dieses Wort bezeichnet genauer das, worum es in dem
Stück sich handelt), sondern lediglich seine Unfähigkeit, Men—
schen zu beurteilen.
Da haben nun zwei Autoren ein Drama des Opti—
mismus geschrieben, und man muß ihnen erklären, daß
Optimismus und Unfähigkeit nicht dasselbe sind! Man
muß ihnen sagen, daß Optimismus nicht ein Verkennen, son⸗
dern ein Erkennen des Lebens ist. Denn was in diesem
flachen „Traumulus“⸗Drama als eine Schwäche, eine Schwäche
des Intellekts erscheint, ist in Wirklichkeit eine Kraft. Es
ist die Kraft, aller Gründe zur Lebensverneinung sich bewußt
zu werden und sich, über diese Gründe hinweg, zur Lebens—
bejahung aufzuschwingen. Es ist die Kraft, durch alle Wolken
hindurch immer wieder die Sterne zu suchen, — die Kraft,
immer wieder den Blick zur Höhe zu wenden, trotz allem,
was niederzieht, und wenn es auch das eigene Schicksal wäre.
Es ist die Kraft, die ihren herrlichsten Ausdruck gefunden
hat in Beethovens Neunter Symphonie, in der geschildert
wird, wie die finsteren Gewalten des Verhängnisses über den
Menschen herstürzen und wie er am Ende doch das Lied an
die Freude anstimmt. Doch, doch und doch! Die Schlechtig—
keit der Menschen kennen und doch am Siege des Guten
nicht verzweifeln, mit den dunklen Mächten ringen und doch
den Glauben an das Licht nicht verlieren, ein freudloses Dasein