Path:
"Traumulus" von Arno Holz und Oskar Jerschke

Full text: Vom Rückgang der deutschen Bühne / Goldmann, Paul (Public Domain)

216 
Traumulus. 
nicht. Das genügt, nach Ansicht der Autoren, um ihn als 
Idealisten zu charakterisieren. Und da er zugrunde geht, 
weil er die Menschen nicht kennt, so ist sein Zusammenbruch 
die Tragödie des Idealismus. Es soll gewiß nicht bestritten 
werden, daß der Professor Niemeyer die Menschen nicht kennt. 
Aber man darf ihn doch nicht deswegen einen Idealisten 
nennen. Wer schlechte Menschen für gut hält, beweist dadurch 
nicht seinen Idealismus oder vielmehr seinen Optimismus 
(denn dieses Wort bezeichnet genauer das, worum es in dem 
Stück sich handelt), sondern lediglich seine Unfähigkeit, Men— 
schen zu beurteilen. 
Da haben nun zwei Autoren ein Drama des Opti— 
mismus geschrieben, und man muß ihnen erklären, daß 
Optimismus und Unfähigkeit nicht dasselbe sind! Man 
muß ihnen sagen, daß Optimismus nicht ein Verkennen, son⸗ 
dern ein Erkennen des Lebens ist. Denn was in diesem 
flachen „Traumulus“⸗Drama als eine Schwäche, eine Schwäche 
des Intellekts erscheint, ist in Wirklichkeit eine Kraft. Es 
ist die Kraft, aller Gründe zur Lebensverneinung sich bewußt 
zu werden und sich, über diese Gründe hinweg, zur Lebens— 
bejahung aufzuschwingen. Es ist die Kraft, durch alle Wolken 
hindurch immer wieder die Sterne zu suchen, — die Kraft, 
immer wieder den Blick zur Höhe zu wenden, trotz allem, 
was niederzieht, und wenn es auch das eigene Schicksal wäre. 
Es ist die Kraft, die ihren herrlichsten Ausdruck gefunden 
hat in Beethovens Neunter Symphonie, in der geschildert 
wird, wie die finsteren Gewalten des Verhängnisses über den 
Menschen herstürzen und wie er am Ende doch das Lied an 
die Freude anstimmt. Doch, doch und doch! Die Schlechtig— 
keit der Menschen kennen und doch am Siege des Guten 
nicht verzweifeln, mit den dunklen Mächten ringen und doch 
den Glauben an das Licht nicht verlieren, ein freudloses Dasein
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.