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"Traumulus" von Arno Holz und Oskar Jerschke

Full text: Vom Rückgang der deutschen Bühne / Goldmann, Paul (Public Domain)

Traumulus. 
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Eine schöne Gestalt wäre zu zeichnen gewesen: ein war— 
mer, gütiger, hochgesinnter Mann. Als beispielsweise ein 
früherer deutscher Dramatiker den Versuch machte, einen Idea— 
listen auf die Bühne zu bringen, wurde der Marquis Posa 
daraus. Nun verlangt man von Arno Holz gewiß nicht, 
daß er einen „Don Carlos“ schreibt, auch nicht, nachdem er 
sich mit Oskar Jerschke assoziiert hat. Aber wenn die beiden 
Autoren sich schon einmal zusammentaten, um ein Idealisten⸗ 
drama zu verfassen, so hätten sie doch wenigstens an ihr 
großes Vorbild sich erinnern und von ihm lernen sollen, daß 
eine Marquis Posa-Natur, mag sie nun in einem spanischen 
Granden oder in einem preußischen Gymnasialdirektor stecken, 
nicht möglich ist ohne Schwung und Feuer, und daß zu einem 
sonderbaren Schwärmer doch zunächst etwas Schwärmerei ge— 
hört. Auch ein wenig Polemik wäre recht wirkungsvoll ge— 
wesen. Es hätte wohl getan, wenn die beiden Autoren gegen 
den allzu nüchternen, allzu praktischen Geist der Zeit zu Felde 
gezogen wären, und wenn sie allen denen, die kein höheres 
Ziel kennen, als in den Besitz der materiellen Lebensgüter 
zu gelangen, einen Mann entgegengestellt hätten, der, ohne 
jede Rücksicht auf Vorteil oder Nachteil, sich in seinem Streben 
nur von großen Ideen leiten läßt. Große Ideen! Die sollten 
doch verhanden sein. Man sollte glauben, daß ein Idealist 
wenigstens einmal eine Idee haben müßte. Nun äußert der 
Professor Niemeyer allerdings im Laufe der fünf Akte zwei 
oder drei Plattheiten über Erziehung. „Der Jugend darf 
der Glaube an das Gute nicht genommen werden“ oder etwas 
Ähnliches. Das ist alles. Sein geistiger Gehalt ist damit 
ausgeschöpft, bis auf die Neige. Wieder ein Unterschied zwi— 
schen Niemeyer und Posa. Der Marquis will gedankenfrei 
sein, und der Professor ist frei von Gedanken. 
Hingegen kennt der Professor, wie gesagt, die Menschen
	        
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