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X. Die Nordlandfahrt des Kaisers

Full text: Zur Kunstgeschichte / Adler, Friedrich (Public Domain)

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Die Nordlandfahrt des Kaisers. 
und Nebel weit nach Süden verschlagener Islandfahrer von einer 
waldigen Küste, die er von fern gesehen, Nachricht gibt, erwacht der 
Wandertrieb aufs neue, und Eriks Sohn Leif beginnt 1001 auf einem 
Schiffe mit fünfunddreißig Mann die kühne Fahrt nach dem Süden. 
Er entdeckt Labrador, Neufundland, Neuschottland und hält endlich an 
einer fruchtbaren Küste, von Skrälingen, d. h. von einem kleinen 
Volke, von Eskimos bewohnt. Weil der Herbst da ist, so muß man 
an das Überwintern denken und durchstreift die Umgegend. Auf einem 
solchen Jagdzuge findet der einzige Deutsche, der die Fahrt mit— 
gemacht — Tyrker ist sein Name — die eßbaren Trauben der wilden 
amerikanischen Rebe, und danach erhält das Land seinen Namen Win— 
land (Weinland). Man war fast bis zum vierzigsten Breitengrade, 
d. h. bis in die Nähe von New York gekommen, — man hatte Amerika 
entdeckt. Das sind keine Schiffermärchen, keine dichterischen Visionen, 
sondern geschichtliche Tatsachen. Denn noch heute steht als unanfecht— 
barer Zeuge in New-Port auf Rhode-Island der Kern einer drei— 
schiffigen stattlichen Rundkirche auf dicken Pfeilern, vom Fuße bis zum 
Scheitel ein derbes standinavisches Kind. Sie entstammt sicher dem 
XII. Jahrhundert; wahrscheinlich hat sie der erste Bischof von Grön— 
land, Erik, der 1121 nach Winland gefahren ist, um die Mission aus— 
zubreiten, erbaut. Als zweiter Zeuge gilt der 1824 auf der Insel 
Kingiktosoak an Grönlands Westküste gefundene Runenstein, er über— 
liefert das Datum 1135. Man war also damals auch nach Norden 
vorgedrungen und hatte den Polarkreis überschritten. Erst vierhundert— 
undfünfzig Jahre später kam John Davis auf seiner dritten Volar— 
reise wieder hierher. 
Die Ansiedlungen von Winland müssen gediehen sein. Man hat 
zwar schwere Kämpfe mit den Eskimos bestehen müssen, doch man hat 
sich behauptet und Fortschritte gemacht, denn 1285 wie 1288 wird die 
Entdeckung neuer Länder nach Island gemeldet. Der letzte Bericht 
über eine Fahrt von Grönland nach Markland ist von 1347; dann 
riß der Faden — wahrscheinlich infolge des Verheerungszuges des 
schwarzen Todes, der Europa entvölkerte und bis Island vordrang — 
und es vergingen einhundertundfünfzig Jahre, ehe die Wiederentdeckung 
durch Christoph Columbus erfolgte. Auch darf man, ohne des großen 
Genuesen Verdienst zu schmälern, daran erinnern, daß er 1477 auf 
Island gewesen ist, um über jene Entdeckungsfahrten, von denen ihm 
eine halb verblaßte Kunde zugegangen war, genaueres zu hören. 
Wenn es eine denkwürdige Tat in der Geschichte der Seekunde
	        
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