Der Ursprung des Backsteinbaues in den baltischen Ländern. 95
bundenen Systeme, im strengen Schema wie in der schlichten Detail—
bildung dem gleichzeitig begonnenen Dome zu Braunschweig auf das
engste verwandt; ein Bau, der durch seinen Maßstab die älteren Ziegel—
kirchen der Mark Brandenburg völlig in den Schatten stellt und ein
glänzendes Zeugnis für die Machtfülle und die politischen Absichten
Heinrichs des Löwen noch heute abgibt. Und wie für Lübeck sorgte
der Sachsenherzog auch für das Bistum Ratzeburg. Indessen ist der
dortige Dom, wenn auch gleichzeitig oder bald darauf begonnen, infolge
der nicht aufhörenden politischen Wirren und Kämpfe, zumal nach der
üchtung Heinrichs (1179) sehr langsam gefördert und schwerlich vor
1190 bis 1195 beendigt worden, wie die Nachricht, daß Heinrich 1189
an den Dom zu Ratzeburg die bei der Zerstörung Bardewiecks ge—
raubten Kirchengeräte geschenkt habe, andeutet, und wie es aus der
vergleichenden Untersuchung des inneren Systems mit denen anderer
Backsteinkirchen in der Mark, in Mecklenburg, Dänemark und Pommern
in unzweifelhafter Weise hervorgeht. Nach meiner Ansicht ist Ratze⸗
burgs Dom das vollendetste Werk der reifen romanischen Gewölbebau—
kunst im Ziegelbau und steht dem Repräsentanten des älteren unge—
wölbten Basilikenschemas, der Klosterkirche von Jerichow, ebenbürtig
zur Seite; zwischen beiden hält Diesdorf die Mitte. Wahrscheinlich
sind alle drei Kirchen Kinder desselben Vaters, nämlich von einem und
demselben Prämonstratensermönche Isfried, welcher, in besonderer Gunst
bei Heinrich dem Löwen stehend, 1204 als Bischof von Ratzeburg starb,
entworfen und erbaut worden.
Zu derselben Zeit wie im Westen sind auch im Osten von Mecklen⸗
burg neue Pflanzstätten des Christentums und der Germanisierung ent—
standen, wie die Kapelle von Althof 1164, das Kloster Dobberan 1169
und das von Dargun 1170 bis 1172, welches mit dänischen Mönchen
aus Esrom besetzt wurde. Aber infolge der furchtbaren und trotz aller
Niederlagen nicht aufhörenden Verwüstungseinfälle der Wenden sind
auch jene Kirchen wieder zerstört (1179 und 1188) und erst in späterer
Zeit in wesentlich anderem Gewande von neuem erbaut worden. Daher
enthält, wie bereits v mehrfach betont hat, Mecklenburg keine Back⸗
steinkirchen aus der Mitte des XII. Jahrhunderts und die relativ
ältesten befinden sich nur im Sprengel von Ratzeburg. Dieselben tragen
durchweg spätromanische bis zum gotischen Übergangsstile reichende
Stilformen und einzelne derselben, wie die Kirchen zu Grevismühlen,
Gadebusch, Klütz u. a., lassen sogar noch heute die Heimat ihrer Er—