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IV. Der Ursprung des Backsteinhauses in den baltischen Ländern

Full text: Zur Kunstgeschichte / Adler, Friedrich (Public Domain)

Der Ursprung des Backsteinbaues in den baltischen Ländern. 93 
Die mit bedeutenden Mitteln 1135 begonnene (Annal. Saxo ad an. 
1135) und, wie der Augenschein lehrt, von einem begabten Künstler 
nach einheitlichem Plane durchgeführte Kirche war nur in den Seiten— 
schiffen gewölbt. Das Mittelschiff hat erst von 1693 bis 1695 seine 
Gewölbe erhalten, ein sicherer Beweis, daß man das gebundene System 
im Jahre 1135 hier noch nicht kannte oder nicht anzuwenden wagte. 
Und was ein kaiserlicher Architekt mitten im blühenden Sachsenlande, 
wo allerorten der regste Baubetrieb herrschte, nicht auszuführen ver— 
mochte, das soll der arme, schwach unterstützte, oft mit Nahrungs— 
sorgen für sich und die Seinen kämpfende Vicelin dicht an der feind— 
lichen Grenze, wo es sicher mehr Räuber und Diebe als Handwerker 
gab, durchgesetzt haben? Glaube das, wer es vermag, der wissenschaftlichen 
Erkenntnis entspricht es nicht. 
Die jetzige Kirche, eine der wertvollsten im Norden, ist frühestens 
um 1165, d. h. in der Zeit, wo endlich dauernd friedliche Verhältnisse 
eintraten, begonnen worden. Ihr eigenartiges Struktursystem können 
wir über Westfalen, den Nieder- und Oberrhein (Elsaß) bis zur 
Lombardei verfolgen. Für Deutschland würde aus mehrfachen Gründen 
die Abtei von Knechtsteden als das nächstliegende Vorbild in Frage 
kommen. Da aber die letztere erst 1138 begonnen wurde, kann selbst— 
derständlich das an der äußersten deutschen Grenze belegene Segeberg 
das gleiche System nicht vier Jahre früher besessen haben. 
Aus dieser baugeschichtlichen Prüfung ergibt sich nach meiner 
Überzeugung der Schluß, daß die Ziegelkirchen in Wagrien sämtlich 
jünger sind, als die ältesten in der Mark, und ich könnte hiermit 
schließen, wenn nicht Haupt zur weiteren Begründung seiner Ansicht 
(a. a. O. S. 76 und 79) noch auf die Krypta des Domes von 
Hamburg hingewiesen und endlich zu der kühnen Behauptung (S. 79) 
sich verstiegen hätte: ‚um die Mitte des XII. Jahrhunderts blüht 
er (der Ziegelbau) von Niederland bis nach Polen hin.“ Hoffentlich 
liefert er uns recht bald die notwendigen Beweise für diese ebenso neue 
wie haltlose Behauptung; vorläufig muß ich ihm entgegnen, daß die 
wenigen ficher datierbaren Baudenkmäler in Polen aus der Mitte des 
XII. Jahrhunderts entweder Granit- oder Sandsteinbauten sind. Was 
ferner den alten Dom von Hamburg anbetrifft, so hat Stöter in seinem ver— 
dienstvollen Werke über denselben alles Notwendige in zutreffender 
Weise gesagt. Der aus traurigen Nützlichkeitsgründen 1806 ab— 
zebrochene Bau stammte einschließlich seiner Krypta aus dem 
XIII. Jahrhundert, wie für jeden Kenner der mittelalterlichen Baukunst
	        
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