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Full text: Aus dem Berliner Rechtsleben (Public Domain)

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Das Berliner Stadtgericht von ı272 bis 1879. 
zu machen, auch das Recht der Stadt auf die bona vocantia 
wurde jetzt für das Gebiet der Gesamtstadt beansprucht und er- 
kämpft, und der bisher von Kölln noch immer seit 1508 ge- 
zahlte Anteil an den jährlich dem Landesherrn zu entrichtenden 
90 Gulden fiel damals fort. Aber die Zuständigkeits-Streitig- 
keiten mit dem Amte Mühlenhof, mit der Hausvogtei, mit 
dem Kammergerichte und mit den französischen Gerichten 
rissen im ganzen 18. Jahrhundert nicht ab, und zahlreiche 
Prozesse und Königliche Verfügungen waren erforderlich, um 
bald einen einzelnen, bald ganze Gruppen von Streitpunkten 
auf diesem Gebiete zu beendigen. Unter dem selbstherr- 
lichen Könige Friedrich Wilhelm I. war es dem Stadtgerichte 
oft sehr schwer, seine Selbständigkeit im bisherigen Umfange 
zu erhalten. Ein Segen für die Allgemeinheit war es aller- 
dings, wenn er die städtische Gerichtsbarkeit in Strafsachen 
auf ein denkbar geringes Mass beschränkte und jede nennens- 
werte Strafe von seiner Genehmigung abhängig machte, die 
er dann nach Anhörung des Kriminalkollegs erteilte oder 
versagte. Als Erinnerung an die Vergangenheit, in der 
Berlin den Blutbann besass, war fast nur der wie ein Ge- 
rümpel in die neue Zeit hinübergenommene „endliche Ge- 
richtstag“ mit seinem Stabzerbrechen und dem Umwerfen 
der Schöffenbänke übrig geblieben. In Wirklichkeit hatte 
das Stadtgericht durch einen dazu beauftragten Richter nur 
die Voruntersuchung zu führen und dann die Strafe zu voll- 
strecken. Es lässt sich nicht bestreiten, dass gerade diese 
Reste städtischer Gerichtsbarkeit einen stark abgelebten 
mittelalterlichen Zug aufwiesen, den die landesherrliche be- 
reits abgestreift hatte. Für den gesunden Sinn unserer Alt- 
vordern spricht es, dass Strafprozesse wegen Hexerei und 
Zauberei in Berlin verhältnismässig selten vorgekommen und 
bereits früh, d.h, schon im Anfange des 18. Jahrhunderts, 
ganz verschwunden sind. Aber der endliche Gerichtstag, 
mehr noch die Strafvollstreckung, waren zu Schaustellungen 
aufgebauscht worden, bei denen, wie bei Stiergefechten, den 
blutgierigen Gelüsten des grossen Haufens überreiche Be- 
friedigung wurde. Die zahlreich erhaltenen Akten und 
Druckschriften über Berliner Hinrichtungen zeigen dies in
	        
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