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IV. Die Antwaltschaft in Berlin

Full text: Aus dem Berliner Rechtsleben (Public Domain)

Die Anwaltschaft in Berlin, 
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Gericht darüber anzurufen, ob er seine Assistenz weiter ge- 
währen müsse, Dieselbe Sache spielte sich bei dem Be- 
klagten ab. Will der Assistenzrat in Familiengeheimnisse 
eindringen, die die Partei vor ihm bewahren will, so ent- 
scheidet das Kollegium. Hegt der Assistenzrat Verdacht, 
eine Partei gehe mit Winkelzügen um, so entscheidet das 
Kollegium. Kann ein Assistenzrat das Vorbringen der Partei 
nicht rechtlich begründen, so muss er dies anzeigen und 
„loco deductionis lediglich ad acta submittieren“, 
Kurz, das ganze Prozesswesen war bureaukratisch wohl- 
geordnet; jeder Prozess ging nach Schema F; die Assistenz- 
räte traten mit kühler Objektivität der Partei gegenüber, 
nicht als ihre Berater und Anwälte ihres Rechtes, sondern 
als Beamte, die häufig genug‘ nur das eine Bestreben hatten, 
die Sache los zu sein und sie daher um jeden Preis durch 
Vergleich zu erledigen suchten und unter Übertreibung der 
Gefahren von Klage und Rechtsmittel abrieten. 
Und wie verhielten sich die, welche es am meisten an- 
ging, die rechtsuchenden Parteien? 
Sie gingen vermutlich nach wie vor zu den Advokaten. 
Denn hatte man diese auch abgeschafft, so hatte man 
sie doch am Leben gelassen. Nicht nur in der buchstäblichen 
Bedeutung des Wortes; der erwähnte Erlass vom 18. Dezember 
1780 hatte nämlich den früheren Advokaten, insoweit sie 
nicht zu Assistenzräten ernannt wurden, die Thätigkeit als 
Rechtsbeistand und Berater des Publikums in sämtlichen 
Zweigen des Rechtslebens ausserhalh des Prozesses gelassen 
und ihnen neu das Notariat gegeben, eine Vereinigung, die 
seitdem Bestand behalten hat. Dazu einen neuen Namen: 
„Justizkommissarius“. 
Die Parteien gingen also nach wie vor zu den ‚„Justiz- 
kommissarien“. Von Rechts wegen, bevor es zum Prozess 
kam. Contra legem, während des Prozesses. Der Justiz- 
kommissarius stand unsichtbar hinter dem Assistenzrat und 
lenkte die Fäden des Rechtsstreits, 
Denn das war auch einer der Punkte, der klar den der 
neuen Ordnung charakteristischen Mangel an Einsicht in 
Wesen und Aufgaben der Advokatur zeigte: dass man ge-
	        
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