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IV. Die Antwaltschaft in Berlin

Full text: Aus dem Berliner Rechtsleben (Public Domain)

Die Anwaltschaft in Berlin, 
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mässige Anwälte, Fürsprecher. Die Notwendigkeit, sich 
durch einen Fürsprecher vertreten zu lassen, hing mit dem 
strengen Formalismus des sächsischen Rechtsganges zu- 
sammen, der der Partei nicht gestattete, etwas, was sie selbst 
gesagt hatte, zu berichtigen. Berechtigt und auf Verlangen 
sogar verpflichtet, das Fürsprechamt zu übernehmen, war 
jeder Gerichtseingesessene. Und wenn auch Einzelne dieses 
Amt bereits berufsmässig betrieben haben mögen, so hatte 
sich doch ein besonderer Stand der Fürsprecher noch nicht 
entwickelt. 
Erst das Eindringen des römisch-kanonischen Prozesses 
in die Mark Brandenburg brachte auch die Advokatur als 
eigenen Berufsstand. Zunächst in der aus dem gemeinen 
Recht übernommenen Doppelform der Prokuratur und Ad- 
vokatur: der Prokurator handelte statt, der Advokat neben 
der Partei. Der Prokurator stellte die Anträge im Namen 
der Partei und betrieb den Prozess, der Advokat unterstützte 
sie durch mündliche und schriftliche Rechtsausführungen. 
Im Lauf der Zeit schwand in der Praxis die theoretisch noch 
im 18. Jahrhundert festgehaltene Trennung, indem es zu- 
gelassen wurde, einen Advokaten zum Prokurator zu be- 
stellen, beide Amter also im einzelnen Falle in einer Person 
zu vereinigen, 
Das Eindringen des fremden Rechts hat, bis zu einem 
völligen Siege, ziemlich lange gebraucht. Aber was ihm 
fehlte, war die Kontinuität natürlicher Entwicklung. So stand 
es bei seinem Siege trotz der verhältnismässig langen Dauer 
der Eroberung dennoch unvermittelt da. So unvermittelt, 
wie der Stand der Advokaten, den es geschaffen, und der 
daher weder die Zeit gehabt hatte, sich auf seine Aufgabe 
zu besinnen, noch die Unterstützung eines entwickelten Standes- 
bewusstseins, sich dieser Aufgabe würdig zu zeigen. Dazu 
die bereits erwähnte Unentbehrlichkeit dieses Standes für 
ein Volk, das in seiner Allgemeinheit weder des Lesens 
noch des Schreibens kundig war, und dem man ein ge- 
schriebenes Recht und einen schriftlichen Prozess aufge- 
zwungen hatte. 
Dass bei sothanen Umständen die Gefahren voll ein-
	        
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