Fichte und die Akademie (1805).
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durch glückliche Methode, Beide durch Universalität des Geistes, den
Reichthum an anderweitigen Kenntnissen und einen treffenden
Uberblick in verwandteren oder entfernteren Wissenschaften weit über—
troffen haben. „Hr. Fichte aber hat nur einige wenige Ideen, aus
welchen sein ganzes System besteht, und mit welchen man sich nur
in einem sehr engen Kreise herumdrehen kann. Mag es also auch
so wahr und bündig sein, als andere Denker die Hauptsätze
desselben für Machtsprüche und die Beweise für Sophisterei erklären
— es wird immer unfruchtbar bleiben und hat nie eine Anwen⸗
dung auf irgend einen anderen Theil des theoretischen oder prak—
tischen Wissens finden, nie eine Wirkung äußern können, weder
kritisch noch dogmatisch, weder regulirend noch erweiternd. Wo
der Erfinder dieses Systemes selbst sich damit in andere Fächer
wagte, ist auf er das Seltsamste verunglückt. Und nirgend ist ein
Buch zu nennen, welches irgend einen Gegenstand nach der Wissen⸗
schaftslehre behandelte, und welches ein gescheidter Mann zur
Hand nehmen möchte.“
Vom Standpunkt des wissenschaftlichen Anstands, des „ge⸗—
scheidten Manns“, ja der nüchternen Wissenschaft selbst war diese
Kritik durchaus berechtigt; Niemand kann genöthigt werden, einen
Philosophen, dessen Wissenschaft er für falsch hält, einzig als
Charakter und als Propheten zu schätzen und in solcher Verehrung
über alles Andere hinwegzusehen! Aber auch in der Geschichte
hat Alles seine Zeit. Jetzt war eine Wiedergeburt der Gesinnung
die Macht, auf der die Zukunft beruhte. Wer das nicht verstand,
der gerieth unter die Räder. Das ist in früheren Tagen Größeren
zugestoßen als Männern wie Biester und Nicolai — einem
Erasmus!
Biester schloß sein Votum mit den übermüthigen Worten:
„Mag also auch die Wissenschaftslehre ein ganz vollkommenes
philosophisches Werk sein, der Verfasser hat sich darin durchaus erschöpft.
Das Buch ist da, und es werde, als Merkwürdigkeit, in unsrer Bibliothek
aufgestellt. Von dem Manne aber steht, nach allem, was man bisher
gesehen hat, nichts weiter zu erwarten als harte Einseitigkeiten und
eigensinnige Wiederholungen. Er scheint mir weder durch Charakter
noch durch Geist ein wünschenswerthes Mitglied eines lebenden, wirkenden
Gelehrtenvereins. Die Akademie kann wohl unmöglich die Verpflichtung
auf sich haben, darum in ihren Schooß Männer aufzunehmen, weil
diese als Lehrer auf Universitäten sonst Schaden stiften könnten. ...
Nach meiner ruhigsten überzeugung muß ich Hrn. Fichte meine ver—
neinende Stimme geben.“
Zeschichte der Akademie. J.