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Erstes Buch. Geschichte der Brandenburgischen (k. preußischen) Societät der Wissenschaften unter Friedrich I. und Friedrich Wilhelm I. (1700-1740) Viertes Capitel. Fortsetzung: Geschichte der Societät der Wissenschaften unter Friedrich Wilhelm I.

Full text: Geschichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin / Harnack, Adolf von (Public Domain)

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Geschichte der Societät von 1717 - 1740. 
zu seinem Zeitungsreferenten und Hofrath. Die Stellung war 
eine ganz bedeutende, und wenigstens das läßt sich zu Gundling's 
Lobe sagen, daß er sie nicht zum Schaden Anderer — obgleich er 
zeitweilig wirklich einflußreich war — mißbraucht, vielmehr sich 
bestrebt hat, einiges Nützliche und Gute zu stiften. Er wurde dem 
Könige bald unentbehrlich, aber nicht nur als ein Mann von aus— 
gebreiteten Kenntnissen und einem zutreffenden Urtheil in politisch⸗ 
ökonomischen Fragen, sondern leider auch als Zielscheibe der rohesten 
Späße im Tabakscollegium; denn, dem Weine nicht widerstehend 
und systematisch zum Trinken gezwungen, verlor er bald allen 
Halt und ließ sich die Rolle des lustigen Raths und gelehrten 
Hofnarren, den man anhörte und prügelte, gefallen. Doch hatte 
er nach drei Jahren noch so viel Kraft, sich der entsetzlichen Lage, 
in die er gerathen war, durch die Flucht zu entziehen. Als er 
dann zurückgebracht worden war, wurde seine Stellung zeitweilig 
eine erträglicher. In den Jahren 1717—- 1719 benahm er sich 
etwas würdiger, und der König, obgleich er ihn stets als gelehrten 
Narren behandelte, zeigte doch mehr Respect. Er verhöhnte ihn 
freilich einerseits, indem er ihm eine Reihe hochtönender Hofämter— 
Titel verlieh, oder vielmehr, er verhöhnte damit das Hofceremoniell; 
aber andererseits war es kein Scherz, wenn er ihm Sitz und 
Stimme in verschiedenen Landescollegien gab, das Seidenwesen 
ihm unterstellte und ihn auch zum Präsidenten der Societät er— 
nannte. Der König gab wirklich etwas auf sein Urtheil und 
glaubte in ihm den rechten Mann zur Leitung solcher Wissens⸗ 
zweige gefunden zu haben, deren Vertreter ihm nur durch Polyhistorie 
und durch die Fähigkeit, witzig zu unterhalten und spielend zu be— 
lehren, erträglich erschienen. Allein vom Jahre 1719 ab sank 
Gundling wieder immer tiefer und wurde dementsprechend, obgleich 
nun Freiherr und Kammerherr, immer roher behandelt. Dennoch 
fand er bei allen Ausschweifungen und Erniedrigungen Zeit, in 
den letzten 15 Jahren seines Lebens eine stattliche Anzahl (fast 
zwei Dutzend) historische und statistisch-geographische Arbeiten zu 
verfassen und einen Codex diplomaticus Brandenburgicus aus 
mehreren Tausenden von Urkunden anzulegen. 
Jene geschichtlichen Werke sind nicht unbedeutend; sie gründen 
sich auf archivalischen Studien. „Gundling ist einer der ersten, die 
nach dem Vorgang des großen Samuel Pufendorf die Bedeutung 
der Urkunde als Grundlage der Geschichtschreibung voll würdigten“, 
und auch seine geographisch-statistischen Zusammenstellungen ge⸗—
	        
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