Berliner Künstlerinnen
zu empfindlich spüren, daß ihren Urheberinnen die
wichtigste Vorbedingung zur befriedigenden Lösung
solcher Aufgaben, das ernsthafte Studium der natür—
lichen Erscheinung des Menschen, speciell des Nackten,
abging. Die herrschende Sitte legte den angehenden
Künstlerinnen in Bezug darauf schlechterdings unüber—
steigbare Hindernisse in den Weg. Die Bildnis-,
Landschafts- und Stillleben-Malerei und ein gewisses
gemütliches und gefälliges Genre von Bildern, deren
Motive dem Frauen-, Mädchen- und Kinderleben ent—
lehnt sind, waren (und bleiben auch wohl heute noch)
in Berlin die künstlerischen Gattungen, in denen sich
das weibliche Malertalent vorzugsweise bethätigte.
Die einsichtigeren Berliner Künstlerinnen waren
sich sehr wohl bewußt, woran es ihnen und allen
ihren zeichnenden, malenden und modellierenden Mit—
schwestern fehlte. Der Atelierbesuch allein reichte nicht
aus, um ihnen den Mangel einer systematischen, all—
seitigen künstlerischen Ausbildung zu ersetzen. Die
Akademie aber blieb ihnen hartnäckig verschlossen. So
faßten sie den Plan, sich ihre eigene Akademie viribus
unitis zu schaffen. Der „Verein der Künstlerinnen
und Kunstfreundinnen“, zu dem sie sich zusammen—
geschlossen hatten, rief ein solches Institut mit an—
erkennenswerter Energie ins Leben. Er auch setzte
es durch, daß ihm für die ersten Monate jedes
zweiten Jahres drei Räume in dem Königlichen
Akademiegebäude überlassen wurden, um darin eine