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Die musterhafte Hausfrau

Full text: Die Berlinerin / Wolff, Ulla (Public Domain)

Ernst von Wolzogen 
einem Land, sondern nur von einem Hotel ins andere. 
Die Hotels sind der Gegenstand ihrer beständigen 
Entrüstung und gerade darum auch der Gegenstand 
ihres einzigen Interesses. Wohl können sich diese 
Damen nirgends fühlen, weil sie nirgends etwas zu 
befehlen haben. Die Vergleichung fremder Haus— 
haltungen mit ihrer eigenen und die selbstverständliche 
Mißbilligung der ersteren ist fast ihre einzige Be— 
schäftigung auf Reisen. Sobald sie ein Hotelzimmer 
betreten, schnüffeln sie darin herum und sagen Pühl!, 
denn selbstverständlich ist die Luft darin verdorben. 
Dann fahren sie mit den Fingern über die polierten 
Möbel und reiben dem Gatten triumphierend den ent⸗ 
deckten Staub unter die Nase. Dann untersuchen sie 
peinlichst das Waschgeschirr und klingeln entrüstet nach 
dem Zimmermädchen. Inzwischen wird das Bett aufge— 
deckt und auf Sauberkeit und Härtegrad geprüft; aus— 
zusetzen ist immer etwas; meistens aber wird die ent— 
rüstete Dame tiefgekränkt ausrufen: „Da lege ich 
mich nicht hinein!“ Beim Speisen im Restaurant 
kann man beobachten, daß besagte Species niemals 
die dem Lande eigentümlichen Gerichte oder besonderen 
Feinheiten genießt, sondern vielmehrüberall, nach langer, 
peinvoller Überlegung, mittags Kalbskoteletke und 
abends Rührei mit Schinken bestellt, weil diese ihr 
die einzigen Speisen dünken, welche von diesen nieder— 
trächtigen ausländischen Köchen nicht so leicht zu ver— 
giften und zu vermanschen seien. Zur Nacht leuchtet
	        
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