Die musikalische Berlinerin
der musikalischen Gemeinde Berlin herrscht die Frau
souverän, und zehnmal mehr, als Bebels Zukunftsstaat
ihr jemals versprechen kann, hat ihr die Kommune
Musik-Berlin schon heute neidlos zuerkannt. Die Frau
giebt jeglichem tonkünstlerischen Institute Zweck, Ziel
und Bedeutung, für alle klingenden und singenden
Unternehmungen liefert sie die ausschlaggebende, in vielen
Fällen ausschließliche Grundlage der Berechnung. Der
Konservatoriums-Direktor, der Notenverleiher, der
Konzertagent gründen ihren Kalkul auf die Damenwelt
mit der nämlichen Selbstverständlichkeit, mit der ein
Cigarrenhändler das Heil des Geschäfts von der Herren—
kundschaft erhofft. Es giebt in Berlin gutbesuchte
Musikakademien — unter den Dutzenden gleichartiger
Institute, deren Flügel in geräuschlosem Stillleben da—
hindämmern —, in denen das Auftauchen eines männ—
lichen Zöglings gerade so frappieren würde, wie das
Erscheinen eines Fähnrichs in einem Nonnenkloster.
Die weltberühmte Kullaksche Akademie, die in ihrer
Blütezeit weit über tausend Eleven in einem Jahres—
kursus zählte, konnte das Ziffernverhältnis frei nach
Suppé präcisieren: „Zehn Mädchen und — höchstens!
— ein Mann!“ Die weibliche Brigade, die im Laufe
der Jahrzehnte die Kullakschen Pforten passierte, mag
ein leibhaftiges Gegenstück zu den legendären Elftausend
Jungfrauen gebildet haben; und von dieser Brigade
schwärmten wiederum Bataillone als Lehrerinnen aus,
um „nach Kullakscher Methode“ den Heerbann der
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