425 —
Sicher ist einem nur das Unbehagen über die Unnatur.
Alle diese Rollen, wer immer sie spielen mag, sehen sich
zum Verwechseln ähnlich, weil das, was einen Unterschied
schaffen könnte, den Darstellerinnen gleichmäßig fehlt.
Denn der Humor zählt nicht zu den Attributen des weib-
lichen Geschlechts. Auch von den literarisch mutigsten
Frauen existiert meines Wissens kein humoristischer Roman.
(25. September 1875.)
Es gibt drei große Rollengruppen — alltägliche,
leidenschaftliche, historische.
Die alltäglichen herrschen vor, was, wenn nicht ein
Glück für die Kunst, so doch jedenfalls ein Glück für
die Schauspieler ist. Denn im selben Augenblicke, da
von den sieben Tagen der Woche fünf auf Benedix und
Bauernfeld und die Birch entfallen, blüht ebenso
gewiß des Schauspielers Weizen, wie der Kritiker sich
in der allemal heiß ersehnten Lage sieht, sämtlichen
Herren und Damen nur Angenehmes sagen zu können.
Die steifbeinigen Majore, die bei jedem Trommelschlag
elektrisch zusammenfahren, die Maler, Professoren und
Afrikareisenden, vor allem aber die den gesamten Adel
deutscher Nation beständig in der Tasche habenden Chef—
redakteure werden nun plötzlich in Permanenz erklärt,
und die Herren Oberländer und Krause, Link und
Liedtcke, Keßler und Kahle haben auf unbestimmte
Zeit hin ungetrübte Tage. Jeder steht an seinem Platz;
alles klappt und paßt. Denn wer wäre schließlich kom—
merzienrätlich-prädestinierter als Herr Oberländer, und
wen hätte die Natur mehr auf den Badekommissar Sittig
hin gebildet als Herrn Link! Und wirklich, Abend um
Abend verläßt man, solange es dauert, seinen Parkett—