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dürstet nach Wahrheit und ist des Redensartlichen, selbst
wenn es sich nicht bloß Poesie nennt, sondern bis auf
einen gewissen Grad auch wirklich als Poesie gelten kann,
herzlich müde. Das Doczische Stück ist aber nicht gut,
auch innerhalb seiner schwächlichen und überholten Gat—
tung nicht gut. Es ist ein Kuddelmuddel, ja in seinem
letzten Akt ein vollständiges Gequatsche (weniger in Worten
als in Taten), in Taten, die sich in der Schlußszene
geradezu die Aufgabe zu stellen scheinen, in Erfahrung
zu bringen, wieviel sich ein Berliner Publikum ruhig ge—
fallen läßt. Dabei, die reizende Schlußszene des ersten
Akts abgerechnet, langweilig bis zum Extrem, eine wahre
Geduldprobe. Wenn man dann gleichzeitig bedenkt —
es klingt prosaisch, aber es muß gesagt werden — was
das alles kostet, welches Maß von Geld, Kraft, Talent,
welche Gedächtnisquälereien, welche gewissenhafte Proben,
welche Prachtdekorationen (im vierten Akt sehr schön) und
welche frisch (ach, nur allzu frisch) vom Schneider kommende
Kostüme nötig sind, um solch ein Werk über die Bühne
zu führen — ins Leben zu führen, läßt sich nicht sagen —
so dreht sich einem das Herz im Leibe um. So viel
verlorene Liebesmüh! Freilich haben diejenigen die
Schuld zu bezahlen, die vorher die Schuld der Annahme
begangen haben. Wie kann man einem Berliner Publi—
kum so was Abgestandenes und zugleich Grundkonfuses
zumuten!
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