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„Die Quitzows“. Es ist kein Stück der absoluten Vor—
trefflichkeit, es wimmelt von angreifbaren und noch mehr
von aus den verschiedensten Gründen fragwürdigen
Stellen, es hat auch — wenigstens in seiner die ganze
zweite Hälfte des vierten Akts füllenden Schlußszene —
den alten Wildenbruchschen Fluch, die Phrase mit ihrem
natürlichen Anhang von Gesuchtheit und Forciertheit,
nicht voll überwunden; aber all das sind schließlich doch
nur obenauf schwimmende Korkkrümelchen, die sich ent—
weder leicht hinwegtun lassen und, wenn nicht, doch viel
zu geringfügig sind, den Geschmack zu verderben oder dem
Ganzen etwas von seiner belebenden Kraft zu nehmen.
Ein kühner Realismus (nur hier und da und dann
jedesmal ganz überflüssigerweise mit einem abgestandenen
Romantizismus untermischt) zieht sich nicht bloß durch
das ganze Stück, sondern trägt es recht eigentlich; und
so drängt sich einem wie von selbst ein Vergleich mit
jener gerade jetzt mit Wildenbruch konkurrierenden anderen
realistischen Bühnenmacht auf, mit Ibsen. In allem,
was künstlerische Durchbildung seines Stoffes, was Kritik
und Geschmack, was Konsequenz und Akkuratesse der
Arbeit angeht, ist Ibsen ein Riese neben Wildenbruch;
die Vollendetheit der Form wirkt bei dem norwegischen
Dichter hinreißend, und das rein Künstlerische feiert einen
vollkommenen Triumph in ihm. Der Inhalt, ähnlich wie
bei Platenschen Oden oder Hexametern, wird verhältnis—
mäßig gleichgültig. Von dieser Vollendung ist Wildenbruch
weitab und wird mutmaßlich immer weitab bleiben, aber
er offenbart andererseits in diesem Stück einen dramati—
schen Instinkt, eine Findigkeit, eine Kühnheit glücklichster
Griffe, die die grandiose Kunst Ibsens (den Accent auf
Kunst gelegt) doch wiederum mannigfach in den Schatten
stellen.