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soll, ein Stück außerhalb der Schablone, vielmehr um—
gekehrt von Anfang bis Ende in seinen eigenen Stiefeln
stehend. Von Schuhen läßt sich hier nicht sprechen. Es
ist ein Ding für sich. Alles andere, was ich von
Wildenbruch kenne, wird über kurz oder lang weggefegt
sein, dies aber wird bleiben, denn es ist in seinem
Kerne voll Wahrheit und Leben, zugleich auf seine Ten—
denz hin angesehn voll erhebender Schönheit.
Ich war kein Wildenbruchianer, zum Leidwesen vieler,
besonders zweier, des einen mutmaßlich, des andern ge⸗—
wiß. Der eine war Wildenbruch, der andere war ich.
Ich hätte mitunter was drum gegeben, ihn mitfeiern
zu können; aber es verbot sich. Die Kritik steht mit⸗
unter auch in Worms und „kann nicht anders“. Aber
auch in meiner dem Dichter abgeneigtesten Zeit, ungefähr
also in der Zeit, da seine „Karolinger“ zur Aufführung
kamen, existierten zwei Sachen von ihm, die mich entzückt
hatten: eine Berliner Humoreske „Das Opfer des Berufs“
und eine märkische, zu Frankfurt a. O. spielende Novelle,
die den Titel führte: „Kindertränen“. Beiden weinte
ich selbst meine Tränen nach oder begleitete sie damit
und hatte Lachetränen für die Berliner Humoreske und
Rührungstränen für die märkische Novelle. Und da
reichen wohl nicht hundert Male, daß ich, wenn ich eben
noch mit dem Ersten Bürger im Faust ausgerufen hatte:
„Nein, er gefällt mir nicht der neue Burgemeister“, mit
dem Studenten Brander im Auerbachschen Keller hinzu—
setzte: „doch seine Weine trink' ich gern“. Diese Weine
waren nun für mich jene Humoreske und jene Novelle,
und beide hat Wildenbruch jetzt in diesem seinem neuesten
Stück zusammengegossen und dadurch eine Bowle her—
gestellt, die man ihrem Range nach ohne weiteres als
„Cardinal“ bezeichnen kann. Und dieser „Cardinal“ heißt: