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Der Kritik liegt es ob, sich über solche Empfindungen
klarzuwerden und das Warum einer gewissen Miß—
stimmung zu ergründen. Dies Warum scheint mir darin
zu liegen, daß ein Inhalt, der Anspruch darauf hatte,
nach Art eines Charakterlustspiels behandelt zu werden,
hier nach Art eines Scherzspieles behandelt worden ist.
Der Herr Verfasser hat sich darin der Mode nachgebend
viel, viel häufiger die Frage vorgelegt: „Wirkt es komisch?“
als die Frage: „Ist es wahr?“. Darüber ist ihm aber
mannigfach nicht bloß die Wahrheit, sondern auch die
Komik verloren gegangen. Jeder Charakter, jede Situation
unterliegen einem bestimmten Gesetz, erheischen eine be—
stimmte Sprache; Egmont darf nicht mit Bonmots ab—
schließen, und eine Thronrede darf nicht humoristisch sein.
Wird hiergegen verstoßen, so ist die Wirkung davon nicht bloß
die, daß die malplacierten Calembourgs und Impromptus
den Dienst versagen, nein, sie erzeugen auch eine Miß—
stimmung, unter der das Ganze zu leiden hat, weil dem
Natürlichen Gewalt angetan und einem Nebensächlichen
zuliebe das Hauptsächliche vernachlässigt oder geopfert wurde.
Der Sreund des Sürsten.
17. Dezember 1879.
Zum ersten Male.
Bei Gelegenheit eines neueren, bald wieder von der
Bühne verschwundenen Wichertschen Lustspiels fiel das
Wort: „Schade, es ist zwei Schritt vom Wege.“ Das
kann nun von diesem „Freund des Fürsten“ eigentlich
nicht gesagt werden. Denn es sind nicht Abweichungen,
worin seine Fehler stecken, sondern umgekehrt, daß es zu
sehr im alten Geleise geht. Und am Ende möchte auch
das noch passieren. Es ist eben nicht nötig, immer durch