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Full text: Causerien über Theater / Fontane, Theodor (Public Domain)

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jedes, auch das gewagteste Spiel mit einer alternden 
Königin glaubte gestatten zu dürfen. Aber wenn seine 
Charakterauffassung Leicesters auch noch tiefer und 
richtiger und namentlich feiner und vornehmer gewesen 
wäre, so hätte das Maß seiner Kunst doch aus dem 
richtig Intendierten nie 'was Rechtes zu machen gewußt. 
So viel Kraft in seiner Erscheinung liegt, so gering ist 
seine darstellerische Kraft. Er steht stattlichunbedeutend 
da und kaut Worte, dabei gelegentlich in einen Gemütlich- 
keitssingsang verfallend, der mehr an Dudeldei als an 
Dudley erinnert. 
Schiller, und mit diesem Seufzer schließ' ich, wird 
auf unsrer königlichen Bühne nicht gut gespielt, nicht 
so, wie's sein sollte. Nur wenige Stücke, wie die „Räuber“ 
und „Kabale und Liebe“ sind auszunehmen. In den 
andern wird das Bedürfnis knapp gedeckt, und nur 
einzelne Rollen, wie Philipp, Buttler und ein paar 
andre finden eine gute, mitunter selbst eine glänzende 
Vertretung. Das Meiste dagegen ist öd' und leer und 
von einer oft tödlichen Langweile. Da hab' ich neulich 
den Prof. Strakosch aus dem Schillerschen Demetrius— 
bruchstück die Reichstagsszene vorlesen hören, und ich hätt' 
es beklagt, wenn mir auch nur eine Zeile dabei ver— 
loren gegangen wäre; so hatte mich die Dichtung kraft 
ihrer selbst, aber doch auch kraft des Vortrags in ihrem 
Bann. Bei der vorgestrigen Aufführung der „Maria 
Stuart“ dagegen sind mir seitenlange Passagen verloren 
gegangen, ohne daß ich's im geringsten bedauert hätte. 
„Nur weiter, weiter“. Das Nachmittagspredigerhafte, 
das sich durch ganze Szenen hinzog, ließ keine Freudigkeit 
aufkommen, keine Spannung, kein Interesse. Wo mir 
doch ein paarmal warm wurde, war es Schiller, der. 
wirkte. Schiller, der eben nicht unterzukriegen ist.
	        
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