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jedes, auch das gewagteste Spiel mit einer alternden
Königin glaubte gestatten zu dürfen. Aber wenn seine
Charakterauffassung Leicesters auch noch tiefer und
richtiger und namentlich feiner und vornehmer gewesen
wäre, so hätte das Maß seiner Kunst doch aus dem
richtig Intendierten nie 'was Rechtes zu machen gewußt.
So viel Kraft in seiner Erscheinung liegt, so gering ist
seine darstellerische Kraft. Er steht stattlichunbedeutend
da und kaut Worte, dabei gelegentlich in einen Gemütlich-
keitssingsang verfallend, der mehr an Dudeldei als an
Dudley erinnert.
Schiller, und mit diesem Seufzer schließ' ich, wird
auf unsrer königlichen Bühne nicht gut gespielt, nicht
so, wie's sein sollte. Nur wenige Stücke, wie die „Räuber“
und „Kabale und Liebe“ sind auszunehmen. In den
andern wird das Bedürfnis knapp gedeckt, und nur
einzelne Rollen, wie Philipp, Buttler und ein paar
andre finden eine gute, mitunter selbst eine glänzende
Vertretung. Das Meiste dagegen ist öd' und leer und
von einer oft tödlichen Langweile. Da hab' ich neulich
den Prof. Strakosch aus dem Schillerschen Demetrius—
bruchstück die Reichstagsszene vorlesen hören, und ich hätt'
es beklagt, wenn mir auch nur eine Zeile dabei ver—
loren gegangen wäre; so hatte mich die Dichtung kraft
ihrer selbst, aber doch auch kraft des Vortrags in ihrem
Bann. Bei der vorgestrigen Aufführung der „Maria
Stuart“ dagegen sind mir seitenlange Passagen verloren
gegangen, ohne daß ich's im geringsten bedauert hätte.
„Nur weiter, weiter“. Das Nachmittagspredigerhafte,
das sich durch ganze Szenen hinzog, ließ keine Freudigkeit
aufkommen, keine Spannung, kein Interesse. Wo mir
doch ein paarmal warm wurde, war es Schiller, der.
wirkte. Schiller, der eben nicht unterzukriegen ist.