Situation von selbst ergiebt, jedes Bedenken. abwehrt.
Als gleichwohl auch durch diese unmittelbarste Beweis-
führung vor tausend Zeugen die Polizei nicht zu
überzeugen war, habe ich den Prozessweg beschritten
und zunächst an das Oberpräsidium der Provinz
Brandenburg folgende Beschwerde gesandt:
An Seine KExeellenz
den Herrn Öberpräsidenten der Provinz Brandenburg
Staatsminister Dr. v. Achenbach.
Durch Verfügung des Königlichen Polizeipräsidiums von
Berlin vom 24, Oktober d. J. ist mir auf Grund der Polizei-
verordnung vom 10. Juli 1851 die Aufführung des fünfaktigen
Schauspieles „Die Verliebten“ von Maurice Donnay im
„Lessing-Theater“ untersagt worden. Ich beehre mich, ein
Exemplar dieses Werkes Euer Kxcellenz ‚zu unterbreiten und
unter Wahrung der gesetzmässigen Frist von vierzehn Tagen
gegen das erlassene Verbot Beschwerde zu führen. Die Gründe,
die mich zur Anfechtung veranlassen, sind die folgenden: Das
Werk von Maurice Donnay, einem der hervorragendsten neu-
Französischen Schriftsteller und Dichter, ist nicht bloss von der
gesamten französischen Kritik, sondern auch von den angesehensten
deutschen Berichterstiattern, die das Pariser Theaterleben zum
Hegenstand ihrer Beobachtung machen, als eine der feinsten und
poestevollsten Bühnendichtungen der Gegenwart gefeiert worden.
Es wird keineswegs in Abrede gestellt, dass das Werk einen
gewagten Stoff behandelt und uns in Gesellschaftskreise führt,
die ausserhalb der moralischen Ordnung stehen. Jedoch werden
alle diese Schilderungen nicht etwa im frivolen Ton der
französischen Schwänke zum Vortrage gebracht, die mit allen
Zuchtlosigkeiten und Obscönitäten so oft den polizeilichen Geleit-
schein für Berlin erhalten haben; vielmehr wird in dem vor-
liegenden Werk — unter Ausscheidung aller Lüsternheiten und
Zweideutigkeiten — mit dem Ernst des echten Poeten und der
Feinfühligkeit des echten Seelenkenners nur auf die psycho-
logische Analyse, auf die Zergliederung der seelischen Stimmungen
das Hauptgewicht gelegt. Mit solchen analytischen Darstellungen
sind ganze Scenen im zweiten und dritten Akt, ist der vierte
Akt in seinem ganzen Umfange erfüllt — und schon der gedank-