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II.

Full text: Verbotene Stücke / Blumenthal, Oscar (Public Domain)

Wir sehen einfach ein liebendes Weib, das zwar dem 
Lockruf der Jugend und des Temperaments nicht hat 
widerstehen können, aber scheu und ehrfürchtig vor 
der Schwelle des Hauses mit ihrer Leidenschaft Halt 
macht. In dem Augenblick, in welchem sie aus den 
berauschenden Heimlichkeiten ihrer Liebe wieder in 
des Familienzimmer zurückkehrt, verwandelt sie sich 
in die aufmerksamste Gattin, in die zärtlichste Mutter, 
in die sorgsamste Hausfrau — und wenn der Vorhang 
sich hebt, um uns ein harmloses und liebenswürdiges 
Nachtischidyll zwischen Marn, Frau und Kind zu 
zeigen, so würde Niemand hinter dem Gemälde eines 
fast spiessbürgerlichen Familienglückes eine so leiden- 
schaftsvolle Vorgeschichte vermuten. In einem Ge- 
spräch, das der Geliebte dieser Frau mit einem Freunde 
und Vertrauten führt, heisst es sehr charakteristisch: 
»Diese seltsame Frau, die so unbegreiflich ist für 
jeden, der sie in ihrem Hause sieht, sie löst das 
Problem, zwei Männer gleichzeitig zu beglücken: den 
ainen mit dem Herzen, den andern mit dem Verstande. 
Auf diese Weise ist sie die hingebendste Freundin und 
zugleich die zärtlichste Gattin, und ihr Mann ist weit 
entfernt, an ihr zu zweifeln. Woher kommt es, dass 
bei den meisten treulosen Frauen der Mann früher 
oder später den Fehltritt entdeckt? Vor allen Dingen. 
weil die Frau sich selbst verrät. Von dem Tage an, 
von dem sie einen Geliebten hat, wird sie kaltherzig 
gegen ihren Gatten, behandelt ihn lieblos und gleich- 
gültig, und der gute Mann, der seine Frau so erkalten 
sieht, denkt selbstverständlich: Irgend jemand ist an 
meine Stelle getreten. Er fängt an zu zweifeln — er 
beobachtet die Frau in ihrem Thun, in ihren Worten
	        
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